Kiews Bürgermeister Vitaly Klitschko warnt: „Für den Dichter…“

Klitsjko hat am Mittwochnachmittag eine halbe Stunde in seinem vollen Terminkalender Der Telegraph, zwischen einem Treffen mit dem Vizepräsidenten des Bundestages und einer nächtlichen Reise nach Polen. Von dort flog er zur Münchner Sicherheitskonferenz nach Deutschland. Sein Händedruck ist fest und sein Lächeln warm. Vom Rathaus aus blickt Klitsjko auf die zentrale Schlagader der Millionenstadt, die wieder einmal wie gewohnt versandet ist: Der Krieg scheint manchmal weit weg. „Das ist eine Illusion“, erklärt der Bürgermeister vehement. „Wir vergessen nie, dass ein paar hundert Kilometer östlich und südlich die echte Hölle herrscht.“

In seinem Büro liegen eine Karte von Kiew aus dem 18. Jahrhundert und ein Satellitenfoto der Stadt, die vor der russischen Invasion 3,8 Millionen Einwohner hatte. Als die Russen im März 2022 am Rande der Stadt standen, seien noch etwa eine Million übrig geblieben, sagt Klitschko. Heute hat es wieder 3,5 Millionen Einwohner. Doch etwa zehn Prozent davon sind Neuankömmlinge: Vertriebene aus der Süd- und Ostukraine. „Ein großer Teil dieser Menschen hat keine Wohnung mehr“, sagte der Bürgermeister. „Es ist zerstört oder besetzt.“

In Vitaly Klitschkos Büro hängen eine Karte von Kiew aus dem 18. Jahrhundert und ein Satellitenfoto der Stadt, die vor der russischen Invasion 3,8 Millionen Einwohner hatte.© VON TÉLÉGRAF

Mit anderen Worten: Sicherheit ist relativ. Kiew sei besser geschützt als andere Städte in der Ukraine, gibt Klitschko zu. Doch zuvor musste die Hauptstadt noch einen Winter überstehen, in dem Russland versuchte, die Ukraine mit Raketenangriffen in Kälte und Dunkelheit zu stürzen. „Der härteste Winter aller Zeiten“, sagte er. Nach Hilferufen trafen westliche Luftverteidigungssysteme ein.

„Ich vertraue der Luftverteidigung“, sagt Klitschko. „Aber wir können nicht sagen, dass jeder zu 100 % sicher ist. » Der Bürgermeister hat es letzte Woche mit eigenen Augen gesehen. Nach einem massiven Luftangriff auf die Ukraine besuchte er ein Wohngebiet in Kiew, wo Trümmer einer abgeschossenen Rakete ein Gebäude in Brand gesetzt hatten. In den Trümmern wurden vier Leichen gefunden. „Und heute ist eine Frau gestorben, die sich in einem kritischen Zustand befand.“

Die Ukraine unter Beschuss

Die Ukraine stand am Donnerstagmorgen erneut unter Beschuss. Explosionen von Flugabwehrfeuern erschütterten Kiew: Das Rathaus erklärte, alle Raketen über der Hauptstadt seien abgeschossen worden. Doch nach Angaben der Luftwaffe wurde die Hälfte der 26 Raketen über der Ukraine von Flugabwehranlagen getroffen.

Die von Kritikern kritisierte Hauptstadt ist ein weiterer Schauplatz für Vitaly Klitschko. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder dominierte er ein Jahrzehnt lang die Schwergewichtsklasse im Boxen. Vor zehn Jahren gehörte er zu den Oppositionsführern, die in einem Winter mit großen Menschenmengen für eine Annäherung an die EU und gegen den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch demonstrierten. Als er nach Russland floh, galt Klitschko als Favorit für die Präsidentschaft. Er ging jedoch in den Ruhestand und wurde zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.

Vitaly Klitschko spricht über die Situation auf den Straßen, nachdem die x-te russische Rakete seine Stadt getroffen hat.© ANP/HH

„Deutschland mit dem Russischen Reich teilen“

Im Ausland bleibt Klitschko einer der führenden Verteidiger der Ukraine. Er reist zu einem Heimspiel der Münchner Sicherheitskonferenz: Klitschko lebte aufgrund seiner Boxkarriere viele Jahre in Deutschland. Seine Botschaft: Russland wird so weit gehen, wie es zulässt. „Ich sage den Deutschen immer: Unterschätze niemals, dass in Putins ungesunder Weltanschauung ein Teil Deutschlands auch zum Russischen Reich gehört, wo er Jahre als KGB-Agent verbracht hat.“

Man vergisst leicht, dass Klitschko seine Boxhandschuhe schon vor langer Zeit an den Nagel gehängt hat. Er bewegt seine imposanten Arme über den Tisch, um seinen Standpunkt darzulegen. Er wiederholt regelmäßig Slogans, mit denen er versucht, die westliche öffentliche Meinung auf der ukrainischen Seite zu halten. Doch auch an der Kriegsfront in der Ukraine zeichnen sich Risse ab. Letzte Woche entließ Selenskyj den Befehlshaber der Streitkräfte, Saluschny. Klitschko reagierte verärgert: Das Unternehmen hätte eine Erklärung für diese Entscheidung verdient.

„Wir haben keinen Grund gehört, warum er ersetzt wurde“, sagt der Bürgermeister und betont, dass Zaluzhny äußerst beliebt sei. Hinter Klitschkos Schreibtisch hängt ein Foto des entlassenen Oberbefehlshabers. „Ich bin sicher, es war eine politische Entscheidung.“

Druckeinheit

Die Einheit ist nicht nur in der Ukraine gefährdet. Ein amerikanischer Hilfsplan in Höhe von fast 60 Milliarden Euro, der auch für die Ausrüstung der Luftverteidigung mit Raketen von entscheidender Bedeutung ist, wird von den Republikanern im Kongress blockiert. In den Niederlanden fordert der Wahlsieger ein Ende der Militärhilfe für die Ukraine.

Klitschko holt tief Luft und betont, dass Politiker pragmatisch sein müssen. Er möchte westliche Populisten vor einer Wahl warnen, die kurzfristig attraktiv erscheinen könnte. „Die Ukraine nicht zu unterstützen bedeutet, Russland tun zu lassen, was es will“, sagt der Stadtchef. „Heute ist die Welt schwarz und weiß. Sie sind für oder gegen den Krieg. Entweder unterstützen Sie die Unabhängigkeit der Ukraine oder nicht. Entweder hilft man der Demokratie oder dem Autoritarismus. Auf welcher Seite bist du? Es liegt an Ihnen zu entscheiden.

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Adelbert Eichel

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