In Deutschland denkt man anders über Internationalisierung und Vielfalt


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20. Dezember 2022 | Die Debatte um die Internationalisierung der Hochschulbildung sollte über finanzielle Überlegungen hinausgehen, schreiben Joost Kleuters und Oliver Locker-Grütjen von der Hochschule Rhein-Waal. Deutschland nutzt beispielsweise die Internationalisierung, um neuen Generationen die Grundwerte eines pluralistischen und demokratischen Rechtsstaates zu vermitteln.






Die Außenstelle der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Bild: Klenass


Von unserer Hochschule in Kleve, gleich hinter der deutschen Grenze bei Nijmegen, können wir die Entwicklung in den Niederlanden nur mit einem Auge zudrücken. Die Diskussion um Internationalisierung und den Zuzug internationaler Studierender verfolgen wir mit großem Interesse, zumal unsere eigene Fachhochschule seit mehr als zwölf Jahren fast achtzig Prozent aller Studiengänge komplett in englischer Sprache anbietet und mehr als die Hälfte unserer Studierenden aus Deutschland kommt im Ausland.

In den Niederlanden dreht sich die Debatte nur um Geld, stellen wir fest. Darüber hinaus hat ScienceGuide in den letzten Wochen wiederholt festgestellt, dass eine breitere Sichtweise fehlt (siehe Meinungsbeiträge von Sander van den Eijnden und Hans de Witt). Basierend auf unseren Erfahrungen in Deutschland möchten wir zeigen, wie eine breitere Perspektive auf die Internationalisierung der Hochschulbildung aussehen könnte.

Englisch zu unterrichten ist nur der erste Schritt

Wir haben gelernt, dass das groß angelegte Angebot an englischsprachiger Bildung nur ein erster Schritt in Richtung einer wirklich internationalen Universitätsgemeinschaft ist, die sich durch Vielfalt in Lehre, Forschung, Organisation und Verwaltung auszeichnet. Natürlich spielten zunächst die bekannten Argumente für mehr englischsprachige Bildung eine wichtige Rolle: der Rückgang der Studierendenzahlen durch die Alterung der Bevölkerung, die Globalisierung des Arbeitsmarktes, der Mangel in der Geschäftswelt von überwiegend technisch ausgebildetem Personal und der Wirtschaft, die von den Ausgaben internationaler Studierender profitieren. Diese Argumente sind immer noch relevant, aber es gibt zwei wichtige Faktoren, die leicht übersehen werden.

Erstens müssen enorme Investitionen getätigt werden; nicht nur finanziell, sondern vor allem auch im Hinblick auf den Zeit- und Willensaufwand, den alle Akteure aufbringen müssen, um eine wirklich internationale Hochschule zu gestalten. Deutschland ist nach den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien das beliebteste Zielland für internationale Studierende. Dass auch internationale Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland (mit Ausnahme von Baden-Württemberg) keine Studiengebühren zahlen, spielt natürlich eine große Rolle.

Die Internationalisierung erfordert erhebliche Anstrengungen

Allerdings wird nicht nur von den deutschen Steuerzahlern, sondern auch von internationalen Studierenden viel verlangt. Anders als in den Niederlanden wird von Studierenden, auch an der Fachhochschule, ein sehr hohes Maß an Selbständigkeit erwartet. Zudem bleibt internationalen Studierenden nichts anderes übrig, als möglichst bald Deutsch zu lernen, um nach dem Studium ein Praktikum oder einen Job in Deutschland zu absolvieren. Dies hat einen eingebauten Auswahlmechanismus; Nur die besten und motiviertesten internationalen Studierenden werden erfolgreich sein.

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Für deutsche Studierende und Lehrende, aber auch für das Betreuungspersonal bedeutet die Präsenz internationaler Studierender, dass große Anstrengungen unternommen werden müssen, um sich gegenseitig zu verstehen. Es bietet aber auch eine enorme interkulturelle und fachliche Bereicherung. Hervorzuheben ist hier übrigens, dass „kostenlose“ Hochschulbildung auch ein wichtiges Signal für deutsche Studierende ist. Im Hinblick auf die Hochschulzugangsberechtigung im weiteren Sinne bedeutet Diversität, dass nicht nur internationale Studierende, sondern auch alle deutschen Studierenden unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund auf der Grundlage ihrer akademischen Qualifikation teilnehmen können sollen.

Internationalisierung als ‚Wissenschaftsdiplomatie

Ein zweiter wichtiger Faktor ist die immer wichtigere Rolle, die Universitäten und Hochschulen bei der Stärkung akademischer und sozialer Werte spielen. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der globale Themen wachsende Unsicherheit und Angst schüren, Verschwörungstheorien und „alternative facts“ den Weg ebnen, muss die Hochschulbildung nicht nur ein Leuchtturm der Offenheit und Verlässlichkeit sein, sondern auch die Grundwerte unserer Pluralismus, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an neue Generationen weiterzugeben.

Viele Studenten, insbesondere aus dem außereuropäischen Ausland, kommen nicht nur wegen der Ausbildung. Sie wollen auch wissen, wie unsere Gesellschaft funktioniert und sich entwickelt. An der Universität oder Hochschule können sie an der offenen akademischen Gemeinschaft teilnehmen und zu unabhängigen und kritischen Persönlichkeiten werden. In Deutschland ist esWissenschaftsdiplomatie‚ sogar ein explizites Ziel innerhalb der Internationalisierung der Hochschulbildung. Das ist ein weit gefasster Begriff, hinter dem sich weit mehr verbirgt als die einfache Frage, was die Internationalisierung aus wirtschaftlicher Sicht bringt.

Es ist nützlich, dass es eine offene Debatte über Kosten und Nutzen der Internationalisierung der Hochschulbildung gibt. Vielleicht sollte das in Deutschland mehr gemacht werden. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in Europa stehen, ist es jedoch unerlässlich, dass die Debatte über die Diskussion rein finanzieller Erwägungen hinausgeht. Die Hochschulbildung kann dazu beitragen, indem sie den notwendigen Anstrengungen gegenüber aufgeschlossen ist, aber auch, indem sie eine umfassendere gesellschaftspolitische Vision der Zukunft bietet.


Joost Kleuters ist Direktor des Zentrums für Internationalisierung und Sprachen, Oliver Locker-Grütjen Präsident des Hochschule Rhein-Waal in Kleve und Kamp-Lintfort (Deutschland).

Adelbert Eichel

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