Als es ankam, startete es wie eine Rakete. Jan Ullrich konnte so stark in die Pedale treten, dass das Fahrrad zu zerbrechen schien. Mit 23 Jahren gewann er die Tour. Seine Zukunft schien rosig. Er würde jahrelang dominieren, hieß es. „Ulle“ wurde zum Liebling des deutschen Publikums vor Tennisspieler Boris Becker und Fußballer Franz Beckenbauer. Aber es lief schlecht.
Es ist 25 Jahre her, dass „Der Jan“ als einziger Deutscher die Tour de France gewann. Doch Ullrich fiel es schwer, mit dem Reichtum seines schnell wachsenden Status klarzukommen und das Leben eines engagierten Berufstätigen zu führen. Fast jedes Jahr kam er aufgrund mangelnder Disziplin mit einem zu schweren Gewicht aus dem Winter, was bedeutete, dass er bereits hinter dem Mann zurückblieb, der ihn weiterhin daran hindern würde, einen weiteren Tour-Sieg zu erringen: Lance Armstrong.
Vom Publikumsliebling zum Paria
Letztlich war Ullrich auch in Dopingskandale verwickelt. Alle, die ihn bewundert hatten, nahmen ihre Hand weg. Der Kaiser Der Radsport ist zum Paria geworden und hat zu tiefen Krisen geführt.
Die ARD hat diese Geschichte bereits letzte Woche in einer Dokumentation zusammengefasst, allerdings mit einer langen Biografie Jan Ullrich. Der Mann, der Mythos, die Wahrheit des Radsportjournalisten Daniel Friebe steht im Mittelpunkt der aktuellen Retrospektive.
Ullrich selbst war an der Biografie nicht beteiligt, ebenso wenig wie seine unmittelbare Familie. Dutzende Menschen weigerten sich auch, ihre Geschichten zu erzählen, teilweise aus Angst, dass jede Feder „immer noch in Gift getaucht“ sei. Dennoch segnete Ullrich diejenigen, die sprechen wollten, darunter seinen ersten Trainer und seine engsten Manager beim Team T-Mobile.
Viel Talent, aber auch jede Menge Nutella
All diese Geschichten führen zu einer intensiven Suche nach der Person Ullrichs und insbesondere nach den Mechanismen, die dazu führten, dass der Junge aus Rostock in der DDR entwischte. Der Weg an die Spitze, als Ullrich den gesamten deutschen Radsport repräsentierte. Und der rasante Absturz, der Ullrich – auch nach seinem Doping-Geständnis – so tief stürzen ließ, dass es fast zum Tode geführt hätte.
Denn Ullrich könnte auch selbstzerstörerisch sein. Ihr Lieblingssnack war ein Glas Nutella, dessen Inhalt sich nach wenigen Augenblicken in der Mikrowelle in eine cremige Schokoladenmilch verwandelte, die man leicht durch einen Strohhalm trinken konnte. Dennoch war er talentiert genug, um sich jedes Jahr weiter zu verbessern. Nach seinem Sieg im Jahr 1997 wurde er zwischen 1996 und 2005 fünfmal Zweiter, einmal Dritter und einmal Vierter.
Gefangen im DDR-System
Friebe beschreibt das alles in einem der besten Literaturbücher zum Radsport der letzten Jahre. Er versteht es, Ullrich und die Welt um ihn herum auf faszinierende Weise miteinander zu verbinden. Wie ein rothaariger Junge im harten System der DDR gefangen war und dann zum Gefangenen seines eigenen Lebens in einer westlich orientierten Welt wurde. Alles wurde für ihn arrangiert, insbesondere von der Deutschen Telekom (später T-Mobile), deren großer Mann er war. Und gleichzeitig war hoher Druck immer ein Problem, auch wenn kein Druck vorhanden war. Ullrich war der „Übermensch, der keinen einfachen Umhang binden konnte“.
Die letzten Jahre, in denen Ullrich in Kliniken eingewiesen wurde, um sich von seiner Alkohol- und Drogenabhängigkeit zu befreien, und in denen es ihm regelmäßig schlecht ging, werden in dem Buch kaum thematisiert. Der Autor gibt Ullrich offenbar auch Ruhe, sich selbst zu finden. In diesem Jahr tritt Ullrich manchmal wieder in die Öffentlichkeit. So versteigerte er beispielsweise ein Fahrrad für 40.000 Euro zugunsten ukrainischer Kinder. Von Zeit zu Zeit beginnt er auch wieder mit dem Radfahren. Kurz vor der Tour gab er via Instagram bekannt, dass alle Erinnerungen zurückkommen würden, seit er wieder im Rampenlicht stehe. Er schloss mit einem Gruß, bevor er weiterfuhr: „Alles Liebe, Euer Jan.“
Wer ist Ullrich und wie ist er so geworden? Friebe kommt mit seiner Arbeit den Antworten näher. Es fügt dem Bild des fleißigen Ostdeutschen, der in allem das Gegenteil von Armstrong war, des amerikanischen Perfektionisten und als unantastbar galt, mehrere Ebenen hinzu. Allerdings ist das Buch wie das, was das erwähnte Glas Nutella für Ullrich war: Es macht süchtig und macht gleichzeitig immer wieder Lust auf mehr. Als ob die ganze Geschichte noch nicht erzählt wäre.
Daniel Friébé
Jan Ullrich. Der Mann, der Mythos, die Wahrheit
Thomas Rap; 528 Seiten
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Sie waren einst Feinde auf dem Rad, aber Lance Armstrong wollte dem in Schwierigkeiten geratenen Jan Ullrich im Jahr 2018 unbedingt helfen.
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