Die Unzufriedenheit der Deutschen geht tiefer als die steigenden Dieselpreise

Ebenso wie in den Niederlanden müssen sich auch deutsche Landwirte mit einer unklaren und sich ständig ändernden Agrarpolitik auseinandersetzen. Der Ruf nach einer drastischen Steigerung der Nachhaltigkeit des Geschäftsbetriebs wird immer lauter. Natur- und Umweltorganisationen äußern immer lauter Kritik, die Politik gelingt es jedoch nicht, eine klare Linie festzulegen.

Mittlerweile werden die Regeln immer wieder verschärft, sei es auf Druck Europas oder nicht. Dabei handelt es sich oft um ungeklärte Verschärfungen, die Geld kosten, aber nicht durch Einnahmen ausgeglichen werden können. Dies führte vor fünf Jahren auch zu einer großen Protestwelle, bei der Wanderer auf die Straße gingen.

Die damalige Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die Landwirtschaft auf, konstruktive Lösungen vorzuschlagen. Um zu breit unterstützten Vorschlägen zu gelangen, wurde ein Agrargipfel mit mehr als vierzig Organisationen organisiert. Anschließend begann ein künftiges Komitee und das Borchert-Komitee, benannt nach einem ehemaligen Landwirtschaftsminister, mit der Ausarbeitung der Ergebnisse.

Daraus entstand eine Reihe von Vorschlägen, die letztlich zu einem nachhaltigeren Geschäftsbetrieb und einer verbesserten Einkommenssituation der Landwirte führen sollten. Dazu gehört auch die Planung der notwendigen finanziellen Unterstützung durch die Regierung. Es gab positive Reaktionen von Politikern und sozialen Organisationen. Dies wäre ein wichtiger Schritt.


Die Politik muss nachgeben, um weitere Maßnahmen zu verhindern

Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes DBV

Doch dann herrschte Stille. Die Politik wandte sich schnell anderen Streitpunkten zu, das Coronavirus forderte große Aufmerksamkeit und weder das Kabinett unter Merkel noch die aktuelle Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzten diese Pläne um.

Tassen

Unterdessen hat die Unzufriedenheit der Landwirte zugenommen. Etwa durch eine weitere Stärkung der Umweltmaßnahmen und durch Drohungen aus dem Brüsseler Green Deal. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs muss die Regierung plötzlich Haushaltskürzungen in zweistelliger Milliardenhöhe vornehmen. Die Landwirte müssen ihren Beitrag leisten, beschloss die Koalition in Berlin.

Konkret wurde im vergangenen Monat beschlossen, die Befreiung von der Kfz-Steuer und den reduzierten Preis für Agrardiesel im Jahr 2024 aufzuheben. Dies war die Zündschnur für viele frustrierte Agrarunternehmer. Nach heftigen Protesten aus der Branche wurde die vorgeschlagene Kfz-Steuer schnell aufgegeben. Die Verbrauchsteuern auf Diesel werden nicht auf einmal erhöht, sondern schrittweise über einen Zeitraum von drei Jahren. „Ein guter Kompromiss“, fand Scholz den Kabinettsbeschluss, den er nicht mit der Branche besprochen hatte.

Das brachte den Geist nicht zurück in die Flasche. Im Gegenteil: Der Rückgang hat dazu geführt, dass der Agrarsektor Lust auf mehr hat. Alle deutschen Bauernverbände haben zu Großdemonstrationen aufgerufen. Schätzungen zufolge sind seit Montag letzter Woche mehr als hunderttausend Wanderer auf den Straßen des Landes unterwegs. Die Zufahrt zu Autobahnen wurde gesperrt und die Innenstädte für den gesamten Verkehr gesperrt.

Die Vernunft muss zurückkehren

„Als Landwirte haben wir ein klares Signal an die Regierung gesendet. Das werden wir nicht zulassen. Sie haben kein Recht, uns so zu behandeln“, fasst Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes DBV, zusammen. Alle Maßnahmen seien seiner Meinung nach abzuschaffen. „Wir hoffen, dass endlich wieder Vernunft nach Berlin zurückkehrt. Die Politik muss nachgeben.“ Nur so können weitere Proteste verhindert werden.“

Die Aktionswoche endete am Montag mit einer Großdemonstration in Berlin. Bauern kamen mit sechstausend Traktoren und Zehntausenden Demonstranten in die Hauptstadt. Es stellte sich heraus, dass die beantragte Kronzeugenregelung noch nicht in Sicht ist. Der liberale Finanzminister Christian Lindner machte unter dem Jubel und Spott der Demonstranten klar, dass der Steuervorteil für Diesel, wenn auch nur in drei Jahren, abgeschafft werde.

Das Einzige, was der Minister vorzuschlagen hatte, war, in den kommenden Jahren mit der Beseitigung unnötiger bürokratischer Regeln zu beginnen. Dies bringe den Unternehmern Geld, sagte er. Konkrete Pläne hat Lindner aber noch nicht. Auch über welche unnötigen Regeln er nachdenkt, lässt er offen.

Kein Steuergeld

Der Minister relativiert die erhöhte Belastung, die den Landwirten droht. „Sie erhalten jedes Jahr 9 Milliarden Euro Unterstützung aus Brüssel und Berlin. Durch den Wegfall des Dieselvorteils würden 3 Prozent dieses Vorteils wegfallen“, sagt Lindner. Er sei nicht bereit, „die finanziellen Probleme der Agrarunternehmer mit Steuergeldern zu lösen“.

Auch ein Gespräch mit Regierungsparteiführern am Montag habe nur zu einem „Verständnis für die Anliegen der Landwirte“ geführt, abgesehen von der Zusage, dass wir in naher Zukunft prüfen werden, wie die Probleme gelöst werden könnten. „Das zeigt Unentschlossenheit, wo wir jetzt mutige Entscheidungen brauchen“, sagte ein enttäuschter Direktor.

Rukwied machte deutlich, dass er weiterhin für diese mutigen Entscheidungen kämpfen werde. Die Traktoren passen noch nicht in den Schuppen. „Ziehen Sie die Steuervorschläge zurück, und wir werden auch zurückziehen. Darüber hinaus sind wir kompromissbereit. Aber wir werden selbstbewusster als bisher agieren und weiterhin das einfordern, was für uns notwendig ist.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bleibt in der Debatte etwas zurück. Diese Woche forderte er jedoch erneut die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Fleisch. Ihm zufolge könnte eine „Tierwohlsteuer“ von wenigen Cent pro Kilo Fleisch zumindest die gewünschte Wende in der Nutztierhaltung ermöglichen. Bisher wurde eine solche Abgabe aus allerlei praktischen Gründen nicht eingeführt.

Bemerkenswert ist die breite Unterstützung der deutschen Bevölkerung für das Vorgehen der Bauern. Eine große Umfrage des ZDF am vergangenen Wochenende ergab, dass 68 Prozent der Befragten Verständnis für die Demonstrationen und Traktorblockaden haben. „Es stärkt uns auf unserem Weg und gibt uns Mut“, antwortete Rukwied.

„Die Angst vor einer Unterwanderung durch Rechtsradikale ist unbegründet“

Die Proteste in Deutschland wurden nicht von rechtsradikalen Gruppen ausgenutzt. Zuvor hatten ihre Vertreter in den sozialen Netzwerken lautstark ihre Solidarität mit den Bauern erklärt. Sie forderten gewalttätige Aktionen. Bauernverbände haben sich deutlich distanziert und ihre Unterstützer aufgefordert, sich nicht an Unruhen zu beteiligen. „Denn Gewalt stört die Debatte und lenkt nur von den eigentlichen Problemen ab“, warnte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes DBV. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz warnte vor einer „giftigen Mischung“ aus Bauernprotesten und rechtsradikalen Parolen. Er forderte Zurückhaltung und Vernünftigkeit in den Äußerungen der Demonstranten. „Weil Galgen und Särge kein Argument sind und wir politische Gegner nicht als Idioten bezeichnen“, sagte die Kanzlerin in einer Videobotschaft. Er weist darauf hin, dass die Sympathie der Landwirte in der deutschen Gesellschaft so hoch sei, „dass es für Rechtsextremisten so interessant ist, ihre Unzufriedenheit auszunutzen“. Die Jungbauern veröffentlichten kurzerhand ein Video auf Instagram, in dem sie sich kategorisch von Rechtsextremisten und Autonomen distanzierten. Es wurde innerhalb weniger Tage nicht weniger als fünf Millionen Mal angesehen. Rukwied stellte später fest, dass diese Angst unbegründet war. „Tausende Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, demonstrierten friedlich an unserer Seite. Aber nirgendwo kam es zu einer Unterwanderung radikaler Gruppen.

Adelbert Eichel

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