Zwölf Faustregeln für die hochschulpolitische Debatte in Zeiten der Polarisierung


Nachrichten | Herausgeber




25. März 2024 | Die Frage sollte nicht sein, ob kontroverse politische Debatten an Universitäten organisiert werden können, sondern vor allem, wie man sie organisiert. Universitäten berauben Studierende einer entscheidenden Bildungserfahrung, wenn sie kontroverse Debatten verbieten, sagen zwei deutsche Forscher. Deshalb entwickeln sie eine Reihe von Richtlinien.








Universitäten in vielen liberalen Demokratien wie den USA, dem Vereinigten Königreich oder Deutschland stehen vor der entscheidenden Frage, wie viel Raum kontroversen Meinungen oder Rednern eingeräumt werden sollte. Einerseits wird dafür plädiert, die freie Meinungsäußerung auf dem Campus einzuschränken, um ein „sicheres“ Umfeld zu schaffen, eine vielfältige Studierendenschaft anzuziehen und die Normalisierung extremistischer (insbesondere rechtspopulistischer) Positionen zu verhindern. Andererseits weckt die Einschränkung der Meinungsfreiheit Bedenken hinsichtlich der Schaffung eines Klimas der Angst und Zensur innerhalb der Universität.

Herausforderungen und Möglichkeiten zur Debatte an der Universität

In Zeiten zunehmender Polarisierung birgt die Organisation einer politischen Veranstaltung auf einem Universitätscampus daher sowohl Herausforderungen als auch Chancen, schreiben die deutschen Wissenschaftler Mario Clemens und Christian Hochmuth. Sie reflektieren die Dilemmata und schlagen zwölf Faustregeln vor, um solche Treffen an Universitäten zu erleichtern.

Die Konditionen finden Sie hier.

Die Forscher schlagen vor, den Schwerpunkt von der Frage, ob es auf dem Universitätsgelände Raum für politische Debatten geben sollte, auf die Art und Weise zu verlagern, wie diese Veranstaltungen organisiert werden können. Ihr Ziel ist es gleichzeitig, eine fruchtbare Debatte anzuregen, was ihre Anhänger wünschen, und gleichzeitig die Risiken zu minimieren, vor denen Kritiker warnen.

Ein Verbot beraubt Studierende der Bildungschancen

Laut deutschen Forschern gibt es mehrere gute Gründe, politische Debatten auf dem Campus zuzulassen. Die Bildung kritischer Bürger sollte ein wichtiges Bildungsziel der Universitäten sein. Daher müssen die Studierenden lernen, mit unterschiedlichen politischen Standpunkten umzugehen und ihre eigenen politischen Urteile zu fällen. Ein Politikverbot auf dem Campus beraubt Studierende großartiger Bildungschancen, sagen Clemens und Hochmuth.

Die Forscher schlagen daher vor, von einem „Ja oder Nein“-Ansatz zu einer differenzierteren Sichtweise überzugehen, wie politische Ereignisse zu den Kernfunktionen der Universität beitragen können. Kontroverse Redner im Vorfeld auszuschließen, gehört nicht dazu. Die Forscher sagen, dass Studierende sich stärker engagieren, wenn sie kontroverse Argumente direkt von jemandem hören, der diese Meinung tatsächlich teilt. Darüber hinaus ist es nicht gewährleistet, dass Redner mit kontroversen Ansichten vom Campus ferngehalten werden, um sicherzustellen, dass Studierende anderswo nicht mit diesen Rednern in Berührung kommen.

Darüber hinaus werden die Studierenden aufgefordert, ihre eigenen Ansichten mit den kontroversen Ansichten externer Redner zu vergleichen. Dies könne eine großartige Gelegenheit sein, rhetorische Fähigkeiten in einem relativ sicheren Bildungsumfeld zu entwickeln, sagten Clemens und Hochmuth.

Oft kein Interesse an Fakten

Allerdings zeigen Beispiele aus der Vergangenheit, dass Redner, die zu politisch kontroversen Themen eingeladen werden, oft kein Interesse an einem faktenbasierten Argumentationsaustausch haben, finden die deutschen Forscher. Stattdessen verschieben sie die Grenzen des Erlaubten. Wir müssen daher stets darauf achten, dass diese Behauptungen im Rahmen einer Debatte widerlegt werden.

Die Verwendung von „sichere Räume“ Deutsche Wissenschaftler halten das nicht für sinnvoll. Sichere Räume werden manchmal – zu Recht oder zu Unrecht – als Versuche angesehen, Räume zu schaffen, in denen Schüler nicht mit Ideen konfrontiert werden können, die im Widerspruch zu ihren eigenen Überzeugungen stehen. So sollte eine Universität nicht sein, meinen die Autoren.

Trojaner-Schutz an der Universität

Stattdessen plädieren sie dafür, Veranstaltungen so zu organisieren, dass sie ausreichend Raum für kontroverse politische Debatten bieten und gleichzeitig Studierende und andere Mitglieder der Universitätsgemeinschaft vor Trojanischen Pferden schützen, die die Universität missbrauchen, um öffentliche Debatten aus dem „Inneren“ zu kapern.

„Gute Vorkehrungen können in vielen Fällen sicherstellen, dass potenziell widersprüchliche Ziele – politische Debatten auf dem Campus und die Verhinderung, dass Campusse in Plattformen für Demagogen umgewandelt werden – beides möglich sind“, schreiben die deutschen Forscher.

Muss aufs College gehen es ist immer eine Frage der Wahrheit

Dabei ist stets zu bedenken, dass die Wissenschaftsfreiheit die Äußerung kontroverser Meinungen nicht zulässt. Die freie Meinungsäußerung schützt die Freiheit, allgemeine politische Ansichten und Meinungen zu äußern, während die akademische Freiheit speziell auf den akademischen Bereich abzielt. Das bedeute, dass Aussagen ein ernsthafter Versuch der Wahrheitsfindung sein müssen und dass Aussagen wissenschaftlichen Standards genügen müssen, betonen Clemens und Hochmuth.

Auch die akademische Freiheit ist nicht absolut. Beispielsweise kann die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt sein, wenn wissenschaftliche Äußerungen im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Rechtsordnung stehen oder wenn Äußerungen nicht den Standards wissenschaftlicher Integrität genügen. Von Wissenschaftlern wird erwartet, dass sie ihre akademische Freiheit im Einklang mit ihrer Berufsethik und Verantwortung nutzen.

Es ist wichtig, Vertrauen aufzubauen

Wenn wir die akademische Freiheit schützen und konstruktive Diskussionen in Campusdebatten fördern wollen, müssen wir sorgfältig abwägen, wer eingeladen wird, in welchem ​​Kontext diese Einladung stattfindet und unter welchen Bedingungen die Veranstaltung stattfindet. Auch hinsichtlich der Ausrichtung, der Finanzierung, der Einbindung der Teilnehmer und der Zugänglichkeit der Veranstaltung müssten Entscheidungen getroffen werden, schreiben Clemens und Hochmuth. Sie unterstreichen auch, wie wichtig es ist, Vertrauen zwischen den Beteiligten aufzubauen, das richtige Format zu wählen, Verhaltensregeln anzuwenden und ein geeignetes Umfeld auszuwählen.

Klare Rollen, Mandate und Einladungsrichtlinien sollen dazu beitragen, Transparenz zu gewährleisten und willkürliche Entscheidungen zu verhindern.

Zwölf Faustregeln

Darauf aufbauend listen deutsche Forscher zwölf Faustregeln für kontroverse Debatten an einer Universität auf:

Festlegung von Zielen und Risiken: Bestimmen Sie im Vorfeld, was für die Veranstaltung das beste Szenario ist und was Sie auf jeden Fall vermeiden möchten. Überlegen Sie, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um absehbare Risiken zu vermeiden und die Erfolgsaussichten zu erhöhen.

Beteiligung der Teilnehmer: Bestimmen Sie, wer an der Veranstaltung teilnehmen muss, um ihren Erfolg sicherzustellen. Dazu gehören diejenigen, die einen konstruktiven Beitrag leisten können, diejenigen, die beeinflusst werden und möglicherweise eine Stimme im Prozess haben müssen, und diejenigen, die möglicherweise Einwände erheben und die Veranstaltung stören.

Unterkunft und Finanzierung: Entscheiden Sie, wer die Veranstaltung durchführt und wie sie finanziert wird. Es ist wichtig, die Sponsoren sorgfältig auszuwählen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Finanzierung die Ziele der Veranstaltung unterstützt.

Zugänglichkeit von Veranstaltungen: Steuern Sie, wer Zugriff auf die Veranstaltung hat. Soll es nur für Lehrende und Studierende oder auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich sein? Sollten wir die Presse einladen?

Umgang mit unerwünschten Gästen: Entwickeln Sie eine Strategie für den Umgang mit Teilnehmern, die sich nicht konstruktiv beteiligen möchten, aber die Veranstaltung stören könnten. Erwägen Sie, sie in den Planungsprozess einzubeziehen oder ihnen andere Möglichkeiten zur Meinungsäußerung zu bieten.

Bauen Sie Vertrauen bei den Stakeholdern auf: Bauen Sie Vertrauen zwischen den Stakeholdern auf, insbesondere wenn sie gegensätzliche Standpunkte vertreten. Erwägen Sie ein Vorgespräch mit allen Beteiligten, um eine Grundlage gegenseitigen Respekts zu schaffen.

Wählen Sie das richtige Format: Bestimmen Sie das am besten geeignete Format für die Veranstaltung, z. B. eine Konferenz, eine moderierte Debatte oder Diskussionsrunden. Überlegen Sie auch, wie die Veranstaltung strukturiert sein sollte, um die Ziele des Treffens zu erreichen.

Verhaltensregeln anwenden: Überlegen Sie, ob Verhaltensregeln für Veranstaltungsteilnehmer festgelegt werden sollen, z. B. das Verbot persönlicher Beleidigungen und die Förderung eines respektvollen Dialogs.

Wählen Sie die richtige Umgebung: Wählen Sie einen Ort, der zur Größe und zum Charakter der Veranstaltung passt und die gewünschte Interaktion zwischen Referenten und Publikum fördert.

Bestimmen Sie den Grad der Formalität: Legen Sie den Grad der Formalität fest, den Sie für die Veranstaltung wünschen. Dies gibt den Ton an und bestimmt, wie interaktiv die Veranstaltung sein wird.

Rollen und Mandate: Stellen Sie sicher, dass die Rollen und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten klar sind, einschließlich der Person, die die Veranstaltung leitet und wer im Namen der Universität oder Fakultät spricht.

Erstellen Sie eine Einladungsanweisung: Universitäten sollten klare Richtlinien für die Einladung von Referenten entwickeln. Dies soll bei der Entscheidungsfindung im Einzelfall helfen. Auch diese Leitlinien müssen öffentlich zugänglich und transparent sein.

Adelbert Eichel

"Preisgekrönter Organisator. Social-Media-Enthusiast. TV-Fan. Amateur-Internet-Evangelist. Kaffee-Fan."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert