„Hohenzollern half Hitler mit symbolischem Kapital“

Malinowski war für die niederländische Übersetzung seines Buches in Amsterdam Die Hohenzollern und die Nazis präsentieren. Er tat dies am vergangenen Donnerstag bei einem wissenschaftlichen Treffen an der Universität Amsterdam und am Abend mit einem ausverkauften öffentlichen Vortrag im Debattenzentrum Spui25.

‚Armageddon‘

Am 9. November 1918, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, wurde Deutschland auf einen Schlag von einer Monarchie zu einer Republik. Der letzte Kaiser Wilhelm II. und sein Sohn Kronprinz Wilhelm von Preußen flohen in die Niederlande. Bald darauf wurde der Adel in der Weimarer Verfassung abgeschafft, woraufhin der Adel offiziell seine Macht verlor. „1918 war ‚Harmagedon‘, ein totales Desaster für den Adel und damit auch für die Familie Hohenzollern“, sagte Malinowski in Amsterdam.

Da der Adel nach 1918 an politischer Macht verlor, sei diese Gruppe in den vergangenen Jahrzehnten kaum historisch erforscht worden, sagt Malinowski. Das entstandene Bild, die Hohenzollern hätten in der Weimarer Republik keine nennenswerte Rolle mehr gespielt, sei im Gegenteil falsch.

Konservative Adelsnetzwerke blieben nach 1918 bestehen existieren und spielen eine bedeutende Rolle unter dem Radar. Unmittelbar nach dem Untergang des Reiches suchte die Familie Hohenzollern nach Wegen, ihren Einfluss aufrechtzuerhalten. Malinowski: „Der preußische Hochadel konnte nicht umhin zu denken, dass ein Reich zurückkehren würde.“ Dazu wurden Verbündete gesucht und Kontakte zu verschiedenen antirepublikanisch rechten Gruppen und Bewegungen in Deutschland, einschließlich des aufkommenden Nationalsozialismus, geknüpft.

Huis Doorn, wo Kaiser Wilhelm II. von 1920 bis zu seinem Tod 1941 im Exil lebte, nennt Malinowski in seinem Buch „einen wichtigen Knotenpunkt des allgemeinen antirepublikanischen Milieus“ und einen „Ort, an dem die Republik von ihren ersten bis zu ihren letzten gelebt hat Tag“. wurde bekämpft.‘ Hermine, Wilhelms zweite Frau, durfte nach Deutschland gehen. Malinowski: „Sie hat versucht, Kontakte zwischen ihrem Mann und den Nazis herzustellen. Das Bild ist hauptsächlich, dass der Kaiser ein Mann war, der auf seinem Gut Holz hackte, aber er war antidemokratisch, antirepublikanisch und antisemitisch.

Kronprinz Wilhelm

Wilhelms Sohn, der „Kronprinz“, nennt Malinowski „einen Brückenbauer zwischen Konservativen und Nationalsozialisten“. Nach fünf Jahren Exil auf der niederländischen Insel Wieringen durfte er 1923 nach Deutschland zurückkehren. Dort unterstützte der Kronprinz offen die Nationalsozialisten, machte Propaganda für die NSDAP, sagte, er werde 1932 Hitler wählen und hatte seine mit ihm aufgenommenes Bild, wie Malinowski auf Fotos zeigt.

Dieser Wilhelm von Preußen spielt eine führende Rolle im aktuellen Kampf zwischen den Nachkommen der Familie Hohenzollern und dem deutschen Staat um die Rückgabe von Schlössern, Kunst und anderem ehemaligen Familienbesitz. Die Hohenzollern wollen für vergangene Enteignungen entschädigt werden, aber das geht nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass sie den Nazis nicht im Sattel geholfen haben. Dies ist in einem speziellen deutschen Gesetz geregelt. Da dies mit dem Kronprinzen umstritten ist, haben die Familie und die Regierung Historiker zu Recherchen hinzugezogen. Malinowski wurde 2014 vom Land Brandenburg gebeten, einen historischen Bericht zu verfassen. Er kam damals zu dem Schluss, dass das allgemeine Verhalten des Kronprinzen die Errichtung des nationalsozialistischen Regimes wesentlich vorangetrieben habe.

Rechtliches Verfahren

Malinowski schrieb 2015 einen Artikel in der Zeitung Die Zeit als Reaktion auf den Bericht. „Das veranlasste die Familie Hohenzollern, rechtliche Schritte gegen mich einzuleiten. Insgesamt fünf, die meine Anwälte gewinnen konnten. Malinowski sei bei weitem nicht allein, sagt er. „Die Familie hat schon mehr als 80 Personen angeklagt; Journalisten, Autoren, Blogger, Historiker und Politiker. Mit Klagen versuchen sie, die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Das geht nicht.“ Allerdings habe der Rechtsstreit den Diskurs beeinflusst, so Malinowski. In seinem Buch schreibt er, dass er die rechtliche Fokussierung auf ein einzelnes Mitglied der Familie Hohenzollern problematisch finde, da mehrere Familienmitglieder den Nationalsozialismus verteidigt hätten .

DIA/Lynn StrooDas Bild, die Familie Hohenzollern sei in der Weimarer Republik zahnlos gewesen und der Kronprinz nur eine „Randfigur“, trifft Malinowski. „Der Kronprinz war jemand mit ‚politischem Sexappeal‘, er war sowohl Kronprinz als auch volksnah. Er war jemand, über den alle sprachen. Auch in der Weimarer Republik konnte er auf die Aufmerksamkeit von Millionen Menschen zählen. „Mit ihrem symbolischen Kapital und ihren riesigen Netzwerken haben sie (die Hohenzollern) sicherlich dem Naziregime geholfen.“

„Am Ende ist eine Zusammenarbeit zwischen der alten und der neuen Rechten entstanden“, resümiert Malinowski in Amsterdam. „Die alte Rechte, die Hohenzollern und andere Konservative, haben die Nationalsozialisten (die neue Rechte) groß gemacht, aber sie haben auch ein Monster geschaffen. Dieses Monster hat sie schließlich zerstört.

Geschichte umschreiben

Für das nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Bild, in dem der Kronprinz aktiv daran mitgewirkt habe, Hitlers Reichskanzlerschaft zu verhindern, gebe es laut Malinowski keine empirische Grundlage. „Aber“, sagt Malinowski, „den Hohenzollern gelingt es, die Geschichte umzuschreiben.“

Adelbert Eichel

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