Neue Debattenrunde zum Thema DDR

Als Katja Hoyer einem Reporter des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Telefoninterview gab, sagte sie, dass sie Hoyers ostdeutschen Akzent so charmant finde. „Ich habe einen leichten Berliner Akzent“, sagte Hoyer im April in Amsterdam. Aber es klingt ganz anders als Sächsisch oder jemand aus dem Thüringer Dialekt. „Was ist ein ostdeutscher Akzent? „Das gibt es nicht“, sagte Hoyer. „Niemand käme auf die Idee zu sagen, dass jemand aus Bayern einen westdeutschen Akzent hat“, erklärte sie. Aber Ostdeutschland werde als eine Art Kollektiv gesehen.

Hoyer war zur Präsentation seines Buches „Behind the Wall“ in Amsterdam. Ostdeutschland 1949-1990“. In dieser „narrativen Sachliteratur“, wie bei einem Radiosender Deutschlandfunk Kultur Wie sie es beschrieb, lässt sie Menschen über ihr Leben und Wirken in der DDR sprechen. Ihre Erinnerungen sind wunderschön und oft überraschend zu lesen. Sie verfügt über viele Geschichten aus Archiven, Tagebüchern und anderen Überlieferungen, hat aber auch selbst viele Bürger der DDR interviewt. Sie verknüpft ihre Geschichten mit der Geschichte der DDR.

Hoyer (1985) wurde in Ostdeutschland geboren und war 4 Jahre alt, als die Mauer fiel. Sie sei dann „in den Überresten eines Staates aufgewachsen, den es nicht mehr gab“, sagt sie in Amsterdam. Diese ostdeutsche Gesellschaft wurde nach dem Fall der Mauer geprägt.

Heftige deutsche Debatten

Sein Buch war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht erschienen; Es wurde erstmals Anfang April auf Englisch unter dem Titel „Beyond the Wall“ veröffentlicht. Dort erhielt es Kritikerlob („Brilliant“) Der Telegraph und „äußerst farbenfroh, überraschend und faszinierend“, so Die Temperatur, beide hinter einer Paywall). Hoyer lebte und arbeitete 12 Jahre in Großbritannien, wo sie als Historikerin am King’s College London und der Royal Historical Society tätig ist. Sie schreibt für britische Medien und für die Washington Post, hauptsächlich über Deutschland. Im Vereinigten Königreich zu leben sei ein Vorteil, erklärte sie in Amsterdam. Sie kann freier über die DDR und Ostdeutschland schreiben, weil sie nicht sofort in die heftigen deutschen Debatten verwickelt wird.

In seinem Buch argumentiert Hoyer gegen die Selbstverständlichkeit, mit der Westdeutschland und die westdeutsche Geschichte schon immer die Norm gewesen seien.

Als ihr Buch Anfang Mai in Deutschland erschien, war der Kontrast zur Rezeption in Großbritannien groß. Die „Desseits der Mauer“ wurden eingefädelt. Hoyers Buch erschien zufällig in einer kürzlich hitzigen Debatte über Ostdeutschland und die DDR im Anschluss an die Veröffentlichung eines weiteren Buches: „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung: Wie die Konstruktion des Ostens unserer Gesellschaft“ von Dirk Oschmann (1967). Oschmann ist ein ostdeutscher Literaturwissenschaftler, der in seinem provokanten Buch argumentiert, dass Westdeutschland immer als Norm und der Osten als Abweichung davon angesehen wird. Ihn stört die herablassende und selbstgefällige Art, mit der die Westdeutschen über den Osten reden und immer noch die Rhetorik des Kalten Krieges verwenden, „als ob sich seit 1989 nichts geändert hätte“.

DDR-Diktatur

Hoyer stellt in seinem Buch auch die Selbstverständlichkeit in Frage, mit der Westdeutschland und die westdeutsche Geschichte schon immer die Norm gewesen seien. Aber das ist nicht unbedingt der Grund, warum seine deutschen Kritiker abhauen. Sie werfen Hoyer vor, dass sie die DDR-Diktatur verharmlost. Die ostdeutsche Kommunistische Partei SED und der DDR-Geheimdienst Stasi kontrollierten jeden Aspekt des täglichen Lebens in der DDR. Menschen seien „schikaniert, ausspioniert, sogar inhaftiert worden, durften ihren Beruf nicht frei wählen, ihre Meinung äußern und nicht frei wählen“, sagte der westdeutsche Journalist Norbert Pötzl der Zeitung. Süddeutsche Zeitung. Es habe „kontinuierliche ideologische Indoktrinierung, politische Bildung, Staatsbürgerkunde und Geschichtsunterricht“ gegeben und die Medien hätten sich assimiliert, schreibt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in der Zeitung. Tagesspiegel (Paywall), selbst ist in der DDR aufgewachsen.

Hoyer schreibt über Repression in der DDR, vor allem aber gibt sie den Menschen eine Stimme, die sich ein gutes Leben aufgebaut haben. Es entkoppelt die SED-Diktatur vom Alltag und das könne man in einem Buch über die DDR nicht machen, sagt Kowalczuk. In den Augen seiner Kritiker idealisiert es die Arbeiterklasse und ignoriert die historische Forschung zur DDR der letzten Jahre. In ihren Augen schildert sie historische Ereignisse vor allem aus der Perspektive der DDR-Elite.

„Westsplaining“

Auch in Deutschland wurde die Kritik an Hoyers Buch persönlich. Pötzl rief Hoyers Eltern an. Sein Vater arbeitete in der NVA der DDR-Armee und seine Mutter war Lehrerin – keine Personen, die an der Spitze der Opposition der DDR standen. Es sei nur folgerichtig, dass ihre Tochter zu dem Schluss komme, dass das Leben in der DDR „sehr angenehm“ gewesen sei, so Pötzl. Hoyer verheimlicht ihre Herkunft keineswegs, sie erwähnt in ihrem Buch auch ihren Vater.

Eine solide Probe Westsplainlautete das Urteil Die Welt zu Pötzls Ausführungen. Sie waren auch gegen das schmerzende Bein der ostdeutschen Journalistin und Schriftstellerin Sabine Rennefanz. In welcher Armee hatte Pötzls Vater (Jahrgang 1948) tatsächlich gedient, fragte sie Der Spiegel ebenso provokativ. „Sollten wir jetzt auf dieser Ebene miteinander reden und Menschen aufgrund ihrer Herkunft aus dem Diskurs ausschließen? Die Positionen waren wieder involviert, wie schon zuvor, zum Beispiel 2014 (siehe zum Beispiel hier und hier) und 2009 (siehe zum Beispiel hier), als es auch viel gegenseitigen Ärger und Frust darüber gab, ob die DDR eins ist Zustand der Ungerechtigkeit..früher.

„Mangel an Anerkennung“

Eine der Schwierigkeiten einer Debatte über die DDR besteht darin, dass auch aktuelle Ereignisse in Deutschland eine Rolle spielen. In den letzten Jahren wurde Ostdeutschland, den Problemen dort und den Menschen, die dort leben, immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dies sei unter anderem auf den Aufstieg der AfD zurückzuführen, sagte Rennefanz vor einigen Jahren in Amsterdam dazu. Der Erfolg der rechtsradikalen Partei in den ostdeutschen Bundesländern zeige die Frustration vieler Ostdeutscher, „nicht gesehen zu werden, die mangelnde Anerkennung“, sagte Rennefanz. Deshalb reden wir heute mehr darüber. Dies wurde Anfang des Monats erneut deutlich, als es große Aufregung gab, weil ein AfD-Abgeordneter zum Bezirksleiter im ostdeutschen Thüringen gewählt wurde, und sofort die Frage aufkam: Warum wählen diese Ostdeutschen so? ?

Wenn die Aufmerksamkeit für Ostdeutschland zunimmt, liegt das auch daran, dass sich immer mehr Ostdeutsche Gehör verschaffen

Wenn die Aufmerksamkeit für Ostdeutschland zunimmt, liegt das auch daran, dass sich immer mehr Ostdeutsche Gehör verschaffen. Sie thematisieren Ungleichheiten, bei Gehältern, in Führungspositionen, in der öffentlichen Debatte. „An den Zahlen sieht man, dass es nicht nur ein Gefühl der Ostdeutschen ist, sie seien Bürger zweiter Klasse das Deutschland-Institut wurde gegründet. Auch in Regierungsberichten zur Deutschen Einheit sind Ungleichheiten seit Jahren (z. B. 2021 und 2018) Thema. Die deutschen Medien schreiben darüber, ihnen wird zunehmend bewusst, dass sie tatsächlich nur wenige Ossies in ihren Redaktionen haben und daher oft die ostdeutsche Perspektive fehlt.

„Das Feindbild der DDR“

Dass die Unterschiede zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland immer noch so groß sind, liegt unter anderem an der Art und Weise, wie die deutsche Einheit im Jahr 1990 erfolgte. Die Deutschen aus dem Osten haben sich zwar selbst für die Wiedervereinigung entschieden, konnten die Folgen jedoch nicht absehen damals. Ostdeutschland wurde dem westdeutschen politischen, rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen System aufgezwungen. Westdeutsche Administratoren bauten dies in Ostdeutschland auf. Sie beherrschten nicht nur weite Teile der ostdeutschen Gesellschaft – und das tun sie immer noch –, sondern verdienten auch weit mehr als die Ostdeutschen.

Rennefanz sieht in Hoyers Buch eine Chance, die DDR „umzudenken“, weil sie Der Spiegel (Paywall) schreibt. Die Reaktionen auf „Diesseits der Mauer“ zeigen laut Rennefanz, „wie schwierig es für viele ist, sich von ihrer Prägung durch den Kalten Krieg und ihrem Feindbild von der DDR zu befreien“. Gleichzeitig scheine es bei vielen Menschen einen „großen Wunsch nach einem neuen Blick auf die deutsch-deutschen Beziehungen“ zu geben. Außerdem wollen sie „einen neuen Schwung“ in der „Ost-West-Debatte, die sich seit Jahren im Kreis dreht“ und dass die Debatte politische Konsequenzen habe. Die Probleme und Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschland – „alles liegt seit Jahren auf dem Tisch, aber es ändert sich nichts“.

Adelbert Eichel

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