Dieser unvollkommene „DDR-General“ will dem deutschen Eiskunstlauf aus der Flaute helfen

Schon vor seiner Wahl zum Präsidenten des Deutschen Eislauf-Verbandes (DESG) am Samstag in Frankfurt hatte Matthias Grosse drastische Maßnahmen ergriffen. Als Interimspräsident entließ Grosse den Bundestrainer, den Niederländer Erik Bouwman. Technischer Leiter Matthias Kulik musste daraufhin das Feld verlassen und ein IT-Mitarbeiter, der die Live-Übertragung einer Pressekonferenz nicht rechtzeitig beendete, entging diesem Schicksal nur knapp.

Mit Bouwman sind Deutschlands beste Skater davongelaufen. Nur mit Claudia Pechstein hat es nicht geklappt. Und genau der berühmteste Wintersportler Deutschlands, mittlerweile 48 Jahre alt, ist der Partner des neuen Präsidenten. Die Meinungsverschiedenheit mit Pechstein veranlasste Grosse zu der Erklärung, dass Deutschland keine ausländischen Trainer brauche. Bouwman hatte keine andere Wahl, als den Kampf vor Gericht fortzusetzen.

Olympia-Legende Yvonne van Gennip

Dennoch hat Grosse (52) in seinem Wahlkampf in den letzten Monaten Unterstützung von prominenten niederländischen Persönlichkeiten erhalten. Eislauftrainer Jan Coopmans, die Weltmeister Kjeld Nuis und Patrick Roest sowie Olympialegende Yvonne van Gennip posteten in den sozialen Medien Videos, in denen sie Grosse als einzigen Kandidaten empfahlen, der in der Lage sei, den deutschen Eislaufsport aus der Flaute zu befreien. Während der Distanz-Weltmeisterschaften in Salt Lake City besuchte Pechstein mit ihrem Smartphone die internationale Elite, um Zuspruch für ihre Freundin zu sammeln. Nach einiger Überlegung hatte Van Gennip diesbezüglich Vorbehalte.

Der deutsche Eislauf scheint nicht sehr florierend zu sein. Bei zwei aufeinanderfolgenden Winterspielen gab es keine Medaillen. Die letzten Plaketten (eine in Gold, drei in Silber) stammen aus Vancouver (2010). Pechstein war zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Dopingsperre nicht dabei. Das größte Problem ist der Mangel an jungen Deutschen, die Lust auf Skaten haben. Der Verein hat nicht mehr als 2.823 Mitglieder, darunter 1.250 Inhaber einer Wettkampflizenz. Lediglich der Curlingverband ist kleiner.

Zwei Jahre lang keine Beiträge

Grosse war in Frankfurt auf der sicheren Seite. Er betrat den Besprechungsraum in Begleitung zweier Leibwächter und einer Sekretärin. Vielleicht etwas übertrieben, da sich ein Gegenkandidat nicht angemeldet hat. Die Wahl erwies sich als reine Formsache – auch weil Grosse einen Kreditgeber gefunden hatte, der sich nur melden würde, wenn er Präsident würde.

So konnte er beispielsweise verkünden, dass Vereine zwei Jahre lang keine Beiträge an die DESG zahlen müssen und Prämien aller Art erspielt werden können. Für die Olympischen Spiele qualifizierte Skater können 5.000 Euro erhalten, ihre Verbände erhalten 4.000 Euro.

Diese Großzügigkeit beeindruckt vor allem die Delegierten aus dem Osten des Landes. Bei Pressekonferenzen in seiner eigenen Müggelturm-Bar im Berliner Bezirk Köpenick hatte Grosse in den vergangenen Monaten betont, dass sich die DESG seit dem Rücktritt des Hauptsponsors (in Höhe von viertausend Euro) in finanziellen Schwierigkeiten befinde. Der ehemalige Vorstand dementierte die roten Zahlen.

Engel der Hölle

Medien und Politiker haben Grosse bereits in den vergangenen Jahren kennengelernt. Wer sich gegen ihn oder Pechstein wendet, muss mit Einschüchterungen oder Drohungen rechnen. Debatten sind nicht wirklich sein Stil. Dies veranlasste Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestags, Fotos ihrer Mitarbeiter und die ihres SPD-Kollegen Martin Gerster aus einem parlamentarischen Wegweiser zu entfernen. Vielleicht ist die Haltung von Grosse, der in der Vergangenheit mit den Hells Angels in Verbindung gebracht wurde, für jemanden, der an der Minsker Militärhochschule ausgebildet wurde, nicht so bemerkenswert. Er wollte General der DDR werden, doch der Fall der Mauer 1989 machte seinen Plänen ein Ende.

Lesen Sie auch:

Claudia Pechstein (45 Jahre) skatet trotz allem weiter

Die deutsche Eiskunstläuferin Claudia Pechstein (48) will trotz Rückschlägen bis zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr weitermachen.

Adelhard Simon

"Subtil charmanter Denker. Organisator. Schöpfer. Hingebungsvoller Zombie-Geek. Web-Guru. Zertifizierter Kommunikator."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert