Dieser Mann leitete ein erfolgreiches deutsches Unternehmen, floh jedoch, als es bankrott ging. Nun stellt sich heraus, dass er ein Doppelleben hatte

Das deutsche Unternehmen Wirecard war viele Jahre lang eines der erfolgreichsten Unternehmen des Landes und wurde vom deutschen Staat übernommen. Wirecard bot verschiedene Produkte im Finanzdienstleistungsbereich an und schaffte es 2018 in die Top 30 der wertvollsten Unternehmen Deutschlands. Das Unternehmen sollte Deutschland wieder auf die globale Wirtschaftslandkarte bringen. Tatsächlich waren deutsche Politiker solche Fans von Wirecard, dass Angela Merkel das Unternehmen während ihrer Reise nach Peking im Jahr 2019 persönlich vorschlug, nur neun Monate später ging das Unternehmen pleite.

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Der Grund? Auf den Konten fehlten knapp zwei Milliarden Euro, was den Aktienkurs einbrechen ließ. Am 25. Juni 2020 wurde Insolvenz angemeldet. Damals wussten CEO Markus Braun und COO Jan Marsalek, dass ihnen eine schwere Sanktion bevorsteht. Braun wurde kurz nach der Insolvenz verhaftet, Marsalek verschwand jedoch am 19. Juni vom Radar. Er tat dies mit Vorsatz. Um seiner Bestrafung zu entgehen. Er flog mit einem Privatjet nach Minsk und fuhr dann mit dem Auto weiter nach Russland. Und es war kein zufällig ausgewähltes Ziel.

Spion seit 10 Jahren

Recherchen von ZDF, Spiegel, dem Österreichischen Standard und der russischen Rechercheplattform The Insider zeigen, dass Marsalek zehn Jahre lang mit russischer Spionage in Verbindung stand. Alles begann auf einer Geburtstagsfeier seiner russischen Geliebten und Pornodarstellerin Natalia Zlobina in Nizza im Jahr 2014. Sie machte Marsalek mit Stanislav Petlinsky bekannt, einer zweifelhaften Figur in der Welt des russischen Sicherheitsapparats. Petlinsky hatte Verbindungen zum GRU, dem russischen Militärgeheimdienst.

Marsalek beauftragte sein Team damit, Kundendaten für den deutschen Auslandsgeheimdienst zu sammeln. In Wirklichkeit wurden diese Informationen nach Moskau übermittelt

Für Petlinsky – und damit für die gesamte GRU – war Marsalek eine interessante Person, weil er über seine Firma Wirecard an viele sensible Informationen gelangte. Auch das Bundeskriminalamt war Kunde des Unternehmens. Einmal bat Marsalek sein Team, ein Jahr lang Kundendaten zu sammeln, die angeblich für den deutschen Auslandsgeheimdienst bestimmt waren. In Wirklichkeit wurden diese Informationen nie an diese Organisation übermittelt, sondern nach Moskau.

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„Obsession mit Flucht“

Seit Marsalek für den Geheimdienst zu arbeiten begann, hatte er nach Angaben seiner Umgebung eine „Besessenheit davon, zu fliehen und falsche Identitäten anzunehmen“. Petlinski stellte Marsalek 2017 auch Anatoly Karasi vor. Der Mann diente Berichten zufolge als GRU-Spezialeinheitsoffizier bei Petlinsky in Tschetschenien. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee schloss er sich der Wagner-Gruppe an, die als Putins „Privatarmee“ gilt.

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Am 5. Mai 2017 flogen Petlinski, Karasi und Marsalek mit einem Privatjet in die syrische Stadt Palmyra. Dort kämpfen die russische Armee, Wagners Söldner und syrische Armeetruppen gegen den Islamischen Staat. Zu dieser Zeit folterten Wagners Söldner in Syrien Zivilisten zu Tode. Marsalek war offensichtlich von allem, was mit Krieg zu tun hatte, besessen. Er posierte oft stolz mit seiner kugelsicheren Weste und seinen Waffen. Als er inzwischen in seine Firma in München zurückkehrte, bezeichneten ihn viele als „völlig gehetzt“.

Das Doppelleben geht weiter

Auch nach der Pleite von Wirecard führte Marsalek sein Doppelleben fort. Nach seinem Verschwinden im Juni 2020 reiste er erneut nach Russland, wo er die Identität eines russisch-orthodoxen Priesters annahm. Dieser Priester sieht Marsalek sehr ähnlich und ihre Geburtsdaten liegen nur zwanzig Monate auseinander. Journalisten des ZDF gelang es, diesen Priester anzurufen, doch die einzige Antwort, die sie erhielten, war: „Als Journalist verstehen Sie, dass ich nicht mit Ihnen sprechen kann.“ »

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Ein Ermittlungsbericht der deutschen Polizei© ddp images/Pool Getty Images

Auch in der Zeit, in der er vom Radar verschwand, war Marsalek mit dubiosen Geschäften beschäftigt. Im vergangenen Jahr wurden sechs Bulgaren verhaftet, weil sie in seinem Namen Kritik am Kreml in Großbritannien aufgezeichnet hatten. Bei den Durchsuchungen wurden unter anderem gefälschte Dokumente, elektronische Überwachungsgeräte und Tarnkleidung entdeckt. In Deutschland wird eine vertiefte Recherche laut, da nie klar ist, was Marsalek genau aufgespürt hat. Marsalek selbst ist immer noch nirgendwo zu finden.

Adelbert Eichel

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