Der deutsch-französische Rückzug an der Elbe dürfte die angespannten Beziehungen verbessern

Eine große französische Regierungsdelegation, bestehend aus rund zwanzig französischen Ministern, wird an diesem Montag und Dienstag Deutschland besuchen. In der Hafenstadt Hamburg, wo Bundeskanzler Olaf Scholz viele Jahre Bürgermeister war, werden die Minister informelle Gespräche mit ihren deutschen Amtskollegen führen.

Anders als üblich wird es weder offizielle Treffen oder Verhandlungen noch eine Abschlusserklärung geben. Stattdessen werden die deutschen und französischen Minister eine Airbus-Fabrik besichtigen, eine Bootsfahrt auf der Elbe unternehmen und einen Fischmarkt besuchen. Gleichzeitig diskutieren sie unter anderem über die Wettbewerbsfähigkeit Europas und den Aufstieg der künstlichen Intelligenz. Anschließend werden Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron eine Pressekonferenz geben.

„Das ist ein völlig neues Format für deutsch-französische Treffen“, freute sich Paris vergangene Woche in einer Pressemitteilung. „Wir werden segeln gehen, ein Fischbrötchen essen und über die mittel- und langfristige Zukunft der EU sprechen.“

Entscheidend für die EU

Beide Parteien hoffen, dass dies der Fall ist Klausur, frei übersetzt als Ruhestand, wird zu einer Verbesserung ihrer angeschlagenen Beziehung beitragen. Das ist auch für den Rest Europas wichtig, denn die sogenannte deutsch-französische Achse ist für die Europäische Union von entscheidender Bedeutung. Wenn dieser Motor ausfällt, ist es schwieriger, Dinge zu erledigen.

„Es gibt derzeit einen bemerkenswerten Mangel an interner Koordination zwischen Paris und Berlin“, beklagte der deutsche Christdemokrat David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, letzte Woche in der britischen Zeitung. Der Wächter. „Es ist nicht gut.“

Auch der deutsche Vizekanzler Robert Habeck warnte kürzlich in einer Rede vor deutschen Diplomaten in Berlin, dass die Beziehungen zu Frankreich polarisiert seien: „Wir sind uns eigentlich in nichts einig.“ »

Viel Ärger hin und her

Tatsächlich sind sich Berlin und Paris in allen Punkten uneinig. Beispielsweise können sich die beiden Länder nicht auf eine europäische Aufsicht über die Staatshaushalte einigen. Sie diskutieren über die Rolle der Kernenergie bei der Ökologisierung der Stromversorgung. Und auch der Kauf von Verteidigungsgütern und deren Lieferung in die Ukraine sorgen für ständige Spannungen.

Die Franzosen betonen die Bedeutung der „strategischen Autonomie“ Europas mit einer starken europäischen Rüstungsindustrie, während die Deutschen sich bei der militärischen Führung oft an Washington wenden und regelmäßig amerikanische Ausrüstung bevorzugen. Paris ist beispielsweise verärgert darüber, dass Berlin amerikanische F-35-Kampfflugzeuge bestellt hat.

Ein Grund dafür ist, dass es zwischen Scholz und Macron derzeit offenbar nicht so richtig klappt. Mit 45 Jahren ist der französische Präsident relativ jung und voller Ideen, die er auch gerne weiterentwickelt. Während Scholz nicht allzu gesprächig ist. Der 65-jährige Kanzler ist ein diskreter Pragmatiker, aus der Regionalpolitik, kurz vor dem Ruhestand. Die Franzosen haben Schwierigkeiten, es einzuschätzen.

Calimero-Effekt

„Es ist auch ein bisschen der Calimero-Effekt bei den Franzosen“, sagt Maarten Doorman, Professor für deutsche Kulturgeschichte an der Vrije Universiteit Amsterdam und Experte für deutsch-französische Beziehungen. „Die Franzosen haben Angst, zu klein zu werden, nicht mehr gegen die Deutschen zu zählen. Es schmerzt.“

Darüber hinaus findet in Europa ein bedeutender Wandel statt. Bis vor Kurzem herrschte innerhalb der EU eine Art stillschweigendes Übereinkommen darüber, dass Deutschland oft eine führende Rolle im wirtschaftlichen Bereich spielte, während Paris dies durch eine stärkere Führungsrolle im Bereich der Außenpolitik etwas kompensierte. Doch der russische Einmarsch in die Ukraine Anfang 2022 brachte dieses Gleichgewicht durcheinander.

In einer Rede kurz nach der Razzia sprach Scholz von einem Zeittrend, ein Wendepunkt in der Geschichte. Seitdem arbeitet Deutschland am Wiederaufbau seiner lange vernachlässigten Streitkräfte. Was die Franzosen verunsichert. Und verdächtig.

„Ich habe viele deutsch-französische Höhen und Tiefen erlebt. Aber was jetzt passiert, betrifft alles“, seufzte der große französische Historiker und Deutschland-Experte Georges-Henri Soutou Ende letzten Jahres im NRC. „Franzosen und Deutsche verstehen sich immer weniger.“

Angst vor Herrschaft

Nun besteht die Hoffnung, dass der gemeinsame Rückzug in dieser Woche in einem Fünf-Sterne-Hotel am Elbufer die Beziehungen verbessern kann. Zu den Merkmalen der Beziehung der letzten Jahrzehnte gehört, dass die beiden ehemaligen Rivalen trotz wiederkehrender Spannungen immer wieder Kompromisse eingegangen sind.

Laut Doorman werden die beiden mit ziemlicher Sicherheit wieder zusammenkommen. „Ich denke, der Ball liegt hauptsächlich in Berlin“, sagt der niederländische Professor. „Die Deutschen brauchen die Franzosen, um Europa zu regieren. Denn Deutschland kann einfach nicht das einzig führende Land in Europa werden. Das mag in vierzig Jahren möglich sein, aber noch nicht. Dafür ist die Angst vor einer deutschen Vorherrschaft noch zu groß.“

Laut Doorman sind Berlin und Paris zueinander verdammt. „Man kann es mit einer langfristigen Ehe vergleichen. Wenn man schon seit Jahrzehnten zusammen ist, kommt es ganz natürlich zu allen möglichen Irritationen. Aber wir lernen, damit umzugehen. Und nachdem ihr so ​​lange zusammen wart, werdet ihr euch nicht wieder trennen.

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Poldie Hall

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