Eine Stunde vor dem Einmarsch in die Ukraine stürzte das amerikanische Viasat-System ab. Diese Firma verkaufte Internetverbindungen, die direkt über Satelliten und nicht über die für unsere Landschaft typischen grauen Masten funktionieren. Dadurch verlor Deutschland plötzlich den Kontakt zu Tausenden von Windenergieanlagen und der Unfall verursachte Zwischenfälle in ganz Europa. Wir wissen seit einiger Zeit, dass der russische Geheimdienst GRU die Quelle des Problems ist. Immerhin leistete Viasat auch Dienste für die ukrainische Armee. Dies zeigt erneut, wie wichtig Satelliten geworden sind und wie notwendig es ist, sich auf Zeiten vorzubereiten, in denen sie nicht mehr verfügbar sind.
Die Ukraine fand schnell eine Alternative: Starlink des amerikanischen Milliardärs Elon Musk. Starlink wurde 2019 gegründet und besteht aus Tausenden von Satelliten, die die Erde nahe umkreisen. Dies sog niedrige Erdumlaufbahn (LEO) Dadurch können sie einen Punkt auf der Erde öfter überfliegen und benötigen generell weniger Energie, weil die Strahlen die Erde schneller erreichen. Sie können daher Informationen zu geringeren Kosten übertragen. Die Streitkräfte betrachten diese LEO-Satelliten seit langem als Alternative zu herkömmlichen erdferneren funktionsunfähigen Satelliten.
Bei der Entwicklung vielseitiger Kommunikationsnetze sind die Vereinigten Staaten und China Europa voraus.
Amerika hat den Weg für den Handel mit Starlink geebnet, aber China wäre nicht China, wenn es keinen Plan hätte, aufzuholen. Am 20. Mai dieses Jahres hob die Chang Zheng 2C mit neuen LEO-Satelliten an Bord ab. An sich nicht überraschend. Auftraggeber war jedoch das staatliche Shanghai Engineering Center for Microsatellites (SECM). SECM ist seit vielen Jahren Investor in einem Kooperationsprojekt mit dem deutschen Unternehmen Kleo. Kleo basiert auf Lizenzen, die der kleine Staat Liechtenstein von der Telekommunikationsagentur der Vereinten Nationen, ITU, erhalten hat.
Kleos Geschichte ist ein Thriller. Der deutsche Unternehmer hinter dem Projekt ergriff die Gelegenheit und erwarb Satellitenlizenzen über sein Netzwerk in Liechtenstein. Weil Liechtenstein damals so schnell war, verfügt es über sehr günstige Lizenzen, die es gegenüber Unternehmen wie Starlink bei der Wellenlängen- und Positionsvergabe priorisieren. Doch der deutsche Gründer hatte nicht genug Kapital und konnte die Satelliten nicht selbst bauen. Und da kam der chinesische Teufel aus einer Kiste. Knapp vier Jahre nach Projektstart positionieren die Chinesen nun selbst Satelliten mit zum Teil deutscher Technik.
Der Wettlauf um den Aufbau vielseitiger Kommunikationsnetze schreitet schnell voran. Aber China ist auch ein Vorreiter bei der Sicherung traditioneller Satelliten. Quantentechnologie ist eine der Lösungen. Ein gewöhnlicher Satellit überträgt seine Informationen immer binär mit Einsen und Nullen, zwar verschlüsselt, aber angreifbar. Die Quantenkommunikation ermöglicht eine komplexere Verschlüsselung, die nahezu unmöglich zu knacken oder zu verdrehen ist. 2016 flog Chinas erster Quantensatellit Micius ins All.
Es gibt auch andere Optionen. Wie die Vereinigten Staaten arbeitet China an langen Drähten, eigentlich dünnen Kabeln, die die Kommunikation in den Ozeanen unterstützen können. Er arbeitet auch an sehr großen unbemannten Luftfahrzeugen, die als Kommunikationsknotenpunkte dienen könnten. China ist führend in der Entwicklung von Raumflugzeugen. Sie können alle möglichen Aufgaben bewältigen, von der Informationsbeschaffung bis hin zur – wiederum – Kommunikation. Im Sommer vergangenen Jahres wurde mit einem solchen Flugzeug ein Testflug durchgeführt. China und die USA lassen Europa hinter sich. Wie der Chef der niederländischen Streitkräfte letzte Woche sagte: Vor zehn Jahren hatten wir in vielen Bereichen der Technologie noch mehr Know-how, aber diesen Vorsprung haben wir verloren. Der Krieg in der Ukraine zeigt jedoch, dass wir uns das nicht leisten können.
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