Angela Merkel verurteilt den Einmarsch Russlands in die Ukraine, glaubt aber, dass sie in ihrer Zeit als Kanzlerin selbst nicht zu pro-russisch war. Merkel sagte dies gestern Abend im ersten Interview seit ihrem Rücktritt im Dezember 2021. Als Führerin Deutschlands habe sie bis zu ihrem Rücktritt immer versucht, die Beziehungen zu Russland zu stärken.
Laut Hanco Jürgens, einem Forscher des Deutschen Instituts, kritisierte Merkel in dem Interview ihr Verhältnis zu Putin. Merkel zitierte beispielsweise ein Treffen im Jahr 2007, bei dem der russische Präsident sagte, der Zusammenbruch der Sowjetunion sei das Schlimmste, was im 20. Jahrhundert geschehen sei. Merkel antwortete, das sei das Schönste, was ihr in dieser Zeit passiert sei. „Es erlaubte ihm, frei zu reisen. Und sie hatte das Gefühl, dass das immer zwischen ihnen stand. Dass der Kalte Krieg eigentlich immer geblieben ist.
In Deutschland hat sich das Bild von Merkels Russlandpolitik seit dem Einmarsch in die Ukraine dramatisch verändert. Der Altkanzler war ein überzeugter Anhänger des Prinzips „Promenade by Commerce“, Wandel durch Kommerz. Immer mehr Stimmen fragen sich, ob das der richtige Weg war.
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Die Ukraine in der NATO
Merkel deutete im Interview weiter an, dass Putin einen möglichen Beitritt der Ukraine zur Nato als Kriegserklärung interpretiert hätte. Ihrer Meinung nach hätte dies dazu geführt, dass der aktuelle Krieg viel früher ausgebrochen wäre.
Der Zeitraum 2007/2008 ist entscheidend für die Diskussion über die Beziehungen zwischen der Ukraine und dem Westen. Bundeskanzlerin Merkel und der damalige französische Präsident Sarkozy verhinderten 2008 die Teilnahme der Ukraine an einem wichtigen Nato-Gipfel in Rumänien. Im Jahr zuvor hatte Putin auf der jährlichen Sicherheitskonferenz in München angedeutet, dass für ihn die „unipolare Weltordnung“ in dem die Vereinigten Staaten die einzige Weltmacht sind, sollte abgeschafft werden. Es wird angenommen, dass die Rede das erste Mal ist, dass Putin offen erklärt, dass Russland sich gegen den Westen wenden wird.
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Shakespeare
Laut Jürgens war das Interview von einer lockeren, humorvollen Merkel geprägt. Ein Beispiel dafür war ihre Bemerkung, dass sie gerade Shakespeares Macbeth lese. „Sie sagt das nicht nur, weil es die Geschichte eines Tyrannen ist, der seine Hand übertreibt und am Ende geköpft wird.“
Zum aktuellen Krieg in der Ukraine wollte Merkel außer einer Verurteilung nicht zu viel sagen, um ihren Nachfolger Olaf Scholz nicht in Verlegenheit zu bringen.
Der Altkanzler kritisierte US-Präsident Joe Biden. Schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatten die USA Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 verhängt, Merkel glaubte, dass dies zwischen Verbündeten nicht möglich sei. Die deutsche Abhängigkeit von russischer Energie wurde im Interview nicht weiter thematisiert.
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