Wahlergebnisse belasten die deutsche Regierung schwer

Das Ergebnis ist ein herber Schlag für die Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Grünen erhielten nur 11,9 Prozent der Stimmen, verglichen mit 20,5 Prozent bei der vorangegangenen Europawahl 2019. Die SPD erhielt 13,9 Prozent der Stimmen (2019: 15,8). Die FDP verlor nur leicht und erreichte 5,2 Prozent (2019: 5,4).

Die AfD erhielt 15,9 Prozent der Stimmen (2019: 11). Ein bemerkenswerter Sieg für eine Partei, die ihren Vorsitzenden und zweiten Mann kurz vor der Wahl aufgrund schwerwiegender Verdächtigungen und extremer Äußerungen aus dem Wahlkampf entfernen musste. In den östlichen Bundesländern schnitt die AfD sogar besser ab als die christdemokratische CDU.

Die neue Partei der ehemaligen Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht, BSW, erreichte 6,2 Prozent und sicherte sich damit sechs Sitze im Europaparlament. Dies waren die ersten Wahlen für BSW. In den östlichen Bundesländern erreichte die Partei deutlich über 10 Prozent. Damit dürfte die Partei auch bei den Landtagswahlen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen eine wichtige Rolle spielen. Laut der Wählerbefragung von Infratest Dimap kamen die meisten Wähler aus BSW (über Tagesschau) von SPD und Die Linke. Die Linke wurde halbiert und erhielt nur noch 2,7 Prozent der Stimmen (2019: 5,5).

Die konservative Partei Freie Wähler konnte 2,7 Prozent (2019: 2,3) der Wähler gewinnen. Die europaweite progressive politische Bewegung Volt gewann in Deutschland deutlich und erreichte 2,6 Prozent (2019: 0,7). Die Satirepartei Die Partei erhielt 1,9 Prozent, die Tierschutzpartei 1,4 Prozent. Die Kleinparteien ÖdP, Familie und PdF erhielten 0,6 Prozent der Stimmen und gewannen jeweils einen Sitz. Die Piraten kamen auf 0,5 Prozent.

Diese kleineren Parteien sind im Deutschen Bundestag nicht vertreten, da bei Bundestagswahlen eine Wahlsperre von 5 Prozent gilt. Nur Parteien, die diese Wahlschwelle überschreiten, erhalten Sitze im Bundestag.


Diagramm zur Verteilung der deutschen Sitze im Europäischen Parlament, via Statist

Junge Wähler

Kleine Parteien erfreuen sich bei jungen Wählern großer Beliebtheit. 28 Prozent der Wähler im Alter von 16 bis 25 Jahren stimmten für kleinere Parteien. Volt erreichte in dieser Gruppe 9 Prozent.

Erstmals durften in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren wählen. Junge Menschen stimmten mehr als erwartet für die CDU (17 %) und die AfD (16 %). Der große Erfolg der AfD bei jungen Wählern war in der vergangenen Woche ein viel diskutiertes Thema in deutschen Medien. Für dieses Abstimmungsverhalten verschiedene Erklärungen Fakt ist: Junge Wähler blicken nicht mit Zuversicht, sondern eher mit Angst in die Zukunft. Eine Partei wie die AfD nutzt diese Ängste. Die Regierung sei im vergangenen Jahr oft negativ in den Nachrichten gestanden und habe im Wahlkampf vor allem vor der Gefahr der AfD gewarnt und Jugendthemen weniger Beachtung geschenkt, hieß es von anderen. Aus Studien wie der maßgeblichen Mitte-Studie Es scheint, dass rechtsradikale, ja sogar rassistische Positionen in Deutschland zunehmend akzeptiert werden, die Vorstellungen der AfD haben sich normalisiert. Die AfD ist in den sozialen Medien sehr aktiv und floriert. Darüber hinaus verbreiten viele Social-Media-Konten die gleiche rechtsradikale Ideologie wie die AfD.

Junge Menschen sind die Wechselwähler schlechthin, sie haben noch keine feste Partei. Das liegt auf der Hand: Bei der letzten Europawahl 2019 stimmten die jungen Wähler noch mit überwältigender Mehrheit für die Grünen. Es war der Höhepunkt der Fridays-for-Future-Bewegung. Bei den Jungwählern verloren die Grünen nicht weniger als 23 Prozentpunkte. Die Grünen sind Teil der Bundesregierung und die Klimabewegung steht der Regierungspolitik sehr kritisch gegenüber.

Ostdeutschland

Screenshot Tag des TagesIn den Ländern der ehemaligen DDR ist nicht mehr die CDU/CSU, sondern die AfD die mit Abstand wichtigste Partei. Auf der Karte ist die ehemalige Grenze zwischen Ost und West, der DDR und der BRD, zu erkennen. Die westdeutschen Bundesländer sind schwarz; die Farbe der CDU/CSU. Die Länder Ostdeutschlands sind blau, die Farbe der AfD.

Es wurden Bücher darüber geschrieben, warum die Menschen im seit 1990 vereinten Osten Deutschlands häufiger die AfD wählen – und warum das rechtsradikale Spektrum dort besonders aktiv ist. Ostdeutschland unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von Westdeutschland. Sozioökonomisch läuft es nicht besonders gut, ein großer Teil der Bevölkerung sieht sich mit einem Rückgang und einer Alterung der Bevölkerung konfrontiert. Der Osten hat viele unzufriedene Wähler, für die die „alten Parteien“ verdrängt wurden. Die AfD ist gegen diese Parteien.

Gleichzeitig ist die AfD selbst inzwischen eine etablierte Partei und ihre Ideen gewinnen immer mehr Wähler. Von den Analysen der Ergebnisse an Tagesschau zeigt, dass die Partei nicht nur Protestwähler anzieht: 51 Prozent der AfD-Wähler wählten diese Partei aus Überzeugung, 44 Prozent aus Enttäuschung über andere Parteien. 82 Prozent der AfD-Wähler ist es egal, wenn Teile der Partei von den Sicherheitsbehörden als rechtsextremistisch eingestuft werden, solange sie die richtigen Themen ansprechen.

Auch in Ostdeutschland erzielte die AfD bei den parallel stattfindenden Kommunalwahlen deutliche Fortschritte. Im Schnitt errangen Rechtsradikale auf lokaler Ebene knapp 30 Prozent. Im sächsischen Großschirma erreichte die Partei sogar 49 Prozent. Die anderen Parteien wollen nicht mit der AfD kooperieren. Sie haben es nach diesen Wahlen wiederholt. Doch in vielen ostdeutschen Kommunen wird es immer schwieriger, Politik ohne die AfD zu entwickeln. Auch in mehreren Orten Ostdeutschlands fanden Stichwahlen zu Kommunalwahlen statt. Diese konnte der AfD-Kandidat nirgends gewinnen.

Zunahme

Die Wahlbeteiligung am Sonntag, 9. Juni, war bemerkenswert hoch: 64,8 Prozent der über 60 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. In den Niederlanden lag dieser Wert mit 46,2 Prozent deutlich niedriger.

Nachwirkungen der Wahlen

Die Europa-Delegation der AfD entschied, dass Maximilian Krah, der erste auf der AfD-Liste, nicht Teil der Gruppe sein werde. Nach Angaben eines Sprechers will er im Parlament sitzen. Krah wird der Korruption und Verbindungen zu Russland verdächtigt und sein Mitarbeiter wurde wegen Spionage für China verhaftet. Nach der Verteidigung der SS wollte insbesondere die Rassemblement Nationale (Rassemblement Nationale) nicht mehr einer Gruppe mit der AfD angehören und die Partei wurde aus der Gruppe „Identität und Demokratie“ ausgeschlossen. Der zweite Kandidat der AfD-Liste, Petr Bystron, könnte Mitglied der AfD-Delegation im Europaparlament bleiben. Gegen ihn wird wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt und er wird mit dem prorussischen Desinformationssender Voice of Europe in Verbindung gebracht. Diese Untersuchung wurde eingestellt, da Bystron nun als Europaparlamentarier Immunität genießt.

Während der französische Präsident Macron nach der Europawahl umgehend Neuwahlen zum französischen Parlament ankündigte, machte Bundeskanzler Scholz deutlich, dass er über so etwas nicht nachdenke. Auch in Deutschland ist das so nicht möglich.

Adelbert Eichel

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