Poetry Slam in der Elbphilharmonie

Ein Poetry Slam ist ein Wettbewerb, bei dem Teilnehmer, auch Slammer genannt, fünf bis sieben Minuten Zeit haben, einen eigenen geschriebenen Text vorzutragen. Es kann ein Gedicht sein, aber auch Kurzgeschichten, gesprochenes Wort und Stand-up-Comedy sind erlaubt. Außerdem spielen a Schnapptext Gestik, Mimik und Stimmvariation spielen eine wichtige Rolle. Alle sollen die Zuschauer berühren. Das Publikum ist die Jury und bestimmt mittels Applaus oder Punkten, wer den besten Text geschrieben hat und den Poetry Slam gewinnt. Deutschland hat einen großen Poetry SlamBühne: In Hamburg und Berlin finden jede Woche mehrere Slams statt.

Organisiert wird die Veranstaltung in der Elbphilharmonie von der Hamburger Poetry-Slam-Band Kampf der Künste. Der Tag besteht aus drei verschiedenen Poetry Slams. Jetzt startet die Rising-Stars-Edition: Acht junge Slammer aus ganz Deutschland treten gegeneinander an. Moderator Jason Bartsch wählt im Anschluss fünf Personen aus dem Publikum aus, die jede Aufführung bewerten. Die zwei Slammer mit den meisten Punkten treten im Finale um den Rising Star-Preis an.

weißes Privileg

Mona Harry beißt den Angreifer. In ihrem Text beklagt die Slammerin den Klimawandel in den deutschen Medien an sich steht nicht im Mittelpunkt, sondern der ganze Rummel drumherum: „Oh, Greta ist mit dem Flugzeug geflogen und aha, Greta hat ein Brot aus einer Plastiktüte gessen. Alle 11 Minuten nutzen eine Fridays-for-Future-Aktivistin Plastik. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Das eigentliche Problem – die „Klimakatastrophe“ – und all die Folgen davon verblassen, wenn wir als Gesellschaft darüber reden sollten, denkt Harry.

Slammerin Veronika Rieger dankt im Text „Weißes Rauschen“ seine Privilegien als Weißer: „Ich hatte ni nie große Panik am Flughafen vor der Sicherheitskontrolle. Ich musste mir nie erklären: ‚Ja, aber, ich bin hier geboren oder eben auch nicht, ist das wichtig?‘ Keiner wundert sich, warum ich die Sprache so gut spreche.“ Es liest auch die Namen der Opfer, die am 19. Februar 2020 bei dem rassistischen Anschlag von Hanau ums Leben kamen. Das Ziel von Riegers Performance: ein stärkeres Bewusstsein für weiße Privilegien zu schaffen.

Paulina Behrendt macht auf die Tabuisierung psychischer Probleme in der deutschen Gesellschaft aufmerksam. Sie tut dies basierend auf einer Raupenmetapher. In seinem Text symbolisiert die Nahrung der Raupe die psychischen Beschwerden und die Metamorphose der Raupe symbolisiert die Auseinandersetzung mit diesen Beschwerden. Die Raupe frisst weiter, erreicht aber ihre Metamorphose nicht. Mit anderen Worten: Ein Gespräch über psychische Gesundheit zu beginnen, passiert nicht. Darüber hinaus äußert Behrendt seinen Ärger darüber, dass fast jeder dritte Deutsche an einer psychischen Erkrankung leidet und die Hälfte von ihnen aufgrund langer Wartelisten keine Hilfe bekommen kann: „Das ist krank, das ist schlimm, das ist Drama mehr denn je! Das ist nicht auf einem guten Weg, das ist Versagen vom System!“ Sein Text kam gut an: Die Publikumsjury belohnte Behrendt mit mehreren Neunen und sogar einer Zehn.

Deutsche Komplexität

Wenn die acht Slammer an der Reihe waren, ist es Zeit für die großes Finale. Noah Klaus und Paulina Behrendt haben noch einmal die Chance, der Öffentlichkeit zu zeigen, was sie zu bieten haben.

Klaus, der selbst Deutschlehrer für Nicht-Muttersprachler ist, will jeden warnen, der beabsichtigt, die deutsche Sprache zu lernen. Sein Text, betitelt ‚Haben sind gewesen gehabt sein Brust‘, schildert humorvoll die Vielschichtigkeit des Deutschen. Der Slammer ruft deutsche Verben Spaßvogel (Witze) wegen ihres unregelmäßigen Vokalwechsels: „Ich laufe, wir laufen, ihr lauft, sie laufen, aber du läuuuufst!“ (aussprechen: loifst) „Ich brate, wir braten, ihr bratet, sie braten, aber er bräääääät!“ (aussprechen: breit) Nachricht von Klaus: Wissen, worauf man sich einlässt!

Schließlich ist Behrendt an der Reihe. In ihrem zweiten Text kritisiert sie die Stellung der Frau in der deutschen Gesellschaft. Der Slammer weist auf das als „Mental Load“ bekannte Phänomen hin: In einer traditionellen Familie obliegt nach wie vor der Frau der Großteil der Reflexions- und Organisationsarbeit. Behrendt schließt daher mit den Worten: „Es geht vor allem um eins: Gleichberechtigung. Ich denke, das System hat viele Fehler, aber Frauen sind es nicht.“

Paulina Behrendt, Gewinnerin des Rising-Star-Awards (01.05.2023) © Jan BrandesJetzt hat die Öffentlichkeit die Kontrolle. Dank einer Bewerbung können alle Zuschauer bestimmen, wer von beiden den Rising-Star-Preis gewinnt. Paulina Behrendt geht als große Gewinnerin hervor. Die 22-jährige Medizinstudentin aus Hamburg hat seit ihrem ersten Auftritt im Jahr 2018 bereits zahlreiche Preise gewonnen. Sie ist eine der beliebtesten Slammerinnen Hamburgs, ihr ‚Strebertext‘ hat über 400.000 Aufrufe auf YouTube und ihre erste Gedichtsammlung wurde 2021 veröffentlicht Heisse Milch mit Honig. Trotz dieses großen Erfolgs steht Behrendt noch immer mit beiden Beinen auf dem Boden: „Ich zittere am ganzen Körper. Ich bin so nervös, dass ich schon 28 Mal auf die Toilette gegangen bin.“ Die Elbphilharmonie brach in Gelächter aus und spendete ihm am Ende ohrenbetäubenden Applaus.

Lorelei Schwarz

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