Jahrelang haben wir darauf gewartet, dass Oma Deutschland stirbt. Aber das ist nicht passiert, sie wollte einfach nicht sterben, ihr Herz wollte einfach nicht aufhören. Wahrscheinlich war es so laut, weil sie früher mit ihren Freundinnen vom Bund Deutscher Mädel, einer Hitlerjugend für Mädchen, so furchtbar gelaufen ist – man sieht sie gemeinsam durch blaue Sommerblumenfelder singen, alles kleine Nazi-Pfadfinder.
Die Familie versuchte meist zu vermeiden, den Krieg zum Gesprächsthema zu machen, weil Oma ihm einen bösen Schlag versetzen konnte – Ah, Quatsch, war herrlich, der Krieg! Und dann sprach sie darüber, wie glücklich sie damals gewesen war, immer noch draußen, immer noch Freunde, immer noch June, als hätte das Leben seitdem nicht mehr den gleichen Glanz gehabt.
Ich habe mich oft gefragt, was Großvater von der Unschuld hielt, hinter der sich Oma vor der Realität verbarg. Aber er schwieg, vielleicht weise, denn wenn Oma etwas fand, war er da und ließ sich nie ändern, selbst wenn man eine Leoparden-Division darauf schickte. Als wir nach sieben Stunden Fahrt bei ihm klingelten, hatten wir keinen Kaffee, weil es viertel nach drei war und keine Kaffeezeit. Drei Uhr war Kaffeezeit. Und Viertel nach drei.
Opa ist vor Jahren gestorben, Omas Leben hat sich nicht verbessert. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich, sie wurde immer verwirrter. Sie war jetzt so alt, dass sie niemanden mehr kannte, der im Dorf lebte, und kein lebendiges Haar. Die letzten Jahre seines Lebens waren vor allem von Sorge, Einsamkeit, Schmerz, Angst und Verwirrung geprägt.
Doch dann, an einem schönen Tag im Januar, hatte sie einen Schlaganfall. Oder eine Krise. Oder beides gleichzeitig. Sein Atem wurde schwächer und schwächer, sein Herz blieb fast stehen. Wir konnten dankbar sein, das Leiden war vorbei und das Leben, das schön begonnen hatte, aber auch schwierig, hart und schwer und auch süß und vor allem lang gewesen war, war nun endlich vorbei.
Wenn nur nicht ein in Panik geratener Wachmann einen Krankenwagen gerufen hätte. Denn meine Brüder, man kann es ihnen nicht verübeln, sie haben nur einen Job und das ist sparen, und sie sparen, auch in solchen Fällen, wo Sparen sehr nach Tackle aussieht. Sie stürmten ins Schlafzimmer und legten Oma, so klein und schwach, ins Bett, ihr Oberkörper noch schmaler als eins, mit zwei Defibrillatoren auf ihrer Brust.
Oma Deutschland ist abgehauen. Nicht zum Himmel, sondern zur Decke. Kaboom! Kaboom! So stelle ich mir die Geräusche von Defibrillatoren vor, von Gewalt, von rettender Gewalt. Sie war fast auf den ewig wandelnden Feldern, sie konnte die anderen Mädchen schon in der Ferne schaukeln sehen, aber als sie von der Decke aufs Bett fiel, lebte sie wieder. Da lag sie, ihr Kopf verschwand unter der Sauerstoffmaske. . Sie musste wieder anfangen zu sterben.
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