Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor zehn Monaten ist Kritik an der ‚Russlandversteherunter deutschen Politikern. Einige Christdemokraten (CDU) und Sozialdemokraten (SPD) hätten in der jüngeren Vergangenheit Wladimir Putins Russland zu viel Sympathie entgegengebracht. Und selbst die radikale Linke (Die Linke) und Rechte (AfD) können heute ein gewisses Verständnis für den Feind der Nato bzw. den „dekadenten Westen“ kaum verbergen.
Gegen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine
Erst am vergangenen Dienstag hatte Sergej Lesjchenko, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj, über die Russlandpolitik von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen. auf dem Korn vergriffen. „Ich bin wirklich sauer auf die Bundeskanzlerin, weil sie sich gewaltig verrechnet hat“, sagte er mit Blick auf ihre Entscheidungen gegen die Ukraine. So hat Merkel 2008 zusammen mit Frankreich verhindert, dass die Ukraine der NATO beitritt, und nachdem Russland 2014 die Krim annektierte, weigerte sie sich, Waffen an die ukrainische Armee zu liefern, alles, um Putin nicht zu „provozieren“.
Sein Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) wird auch in Deutschland selbst hervorgehoben, nicht nur, weil er im Vorstand des russischen Ölkonzerns Rosneft sitzt, sondern auch, weil er sich nicht weit genug von seinem „guten Freund“ Putin entfernt hat .
Tauroggen-Konvention als Symbol und Signal
Heutzutage möchte niemand in Deutschland so sein Russlandversteher durchs Leben gehen. Auch Links- und Rechtsradikale werden den russischen Offensivkrieg als solchen gleichzeitig verurteilen, wenn sie die Nato oder die Ukraine kritisieren. Aber woher kommt dieses Verständnis von Russland? In welcher Tradition wurzelt es?
Sie geht historisch viel weiter als der Versuch der ehemaligen Bundesrepublik (1949-1990), sich mit der Sowjetunion gut zu verstehen, um die Teilung Deutschlands abzumildern und sogar zu überwinden.. Am 30. Dezember, vor genau 210 Jahren, schloss der preußische Generalleutnant Johann David Ludwig von Yorck den Konvent von Tauroggen (heute Tauragė in Litauen), der als Verbrüderung Preußens mit Russland gilt.
Der französische Kaiser Napoleon hatte Preußen am 14. Oktober 1806 in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt besiegt, anschließend besetzt und von Preußen abhängig gemacht. Die Preußen sollten ihm später neben Waffen und Lebensmitteln auch 40.000 Soldaten für seinen Angriffskrieg gegen Russland zur Verfügung stellen.
Als Yorck 1812 während des dramatischen Rückzugs Napoleons aus Russland den Kontakt zum französischen X. Armeekorps verlor, beschloss er, mit Generalmajor Hans Karl von Diebitsch, dem Kommandeur eines russischen Armeekorps, zu verhandeln. Die daraus resultierende Tauroggen-Konvention sah vor, dass das preußische Hilfskorps nicht mehr gegen Russland kämpfen und eine neutralisierte Zone zwischen Memel, Tilsit und den besetzen würde Kurisches Haff (das Kurische Haff) in Litauen.
verlorener Verbündeter
Die Franzosen verloren damit einen wichtigen Verbündeten und konnten sich nicht mehr auf den Schutz der Ostseeküste gegen die Russen verlassen. Sie fühlten sich nun ermutigt, den Kampf über die russischen Grenzen hinweg zu führen und Napoleon bis Paris zu verfolgen. Die Neutralisierung des preußischen Hilfskorps war für die antifranzösischen Streitkräfte des damaligen „Deutschland“ das Signal zum Aufstand gegen die napoleonische Herrschaft.
Yorck hatte aus freiem Willen gehandelt, ohne Genehmigung des Königs von Preußen, aber er erzog ihn zwei Jahre später aufgrund seiner militärischen Verdienste während der Befreiungskriegedie Befreiungskriege gegen Napoleon, darunter die Schlacht bei Wartenburg, zählten und bescherten ihm die säkularisierte Kommandantur Klein-Öls (im heutigen Polen – s Artikel darüber im Durchbruch).
Russland wächst und wächst
Preußen und Russland hatten sich auch schon früher geeinigt, nämlich als sie sich zwischen 1772 und 1795 dreimal das polnisch-litauische Commonwealth mit Österreich teilten. Es war ein Ereignis, das als das der „polnischen Divisionen“ in die Geschichte eingegangen ist. Diese gute Beziehung wird während des gesamten 19. Jahrhunderts fortgesetzt. Otto von Bismarck, als Ministerpräsident von Preußen und später als Gründer und erster Reichskanzler von Preußen das deutsche Kaiserreich Freunde dich mit dem zaristischen Russland an.
Unter den Nachfolgern von Bismarck und Kaiser Wilhelm II. trennten sich Deutschland und Russland. Deutschland und Russland klammerten sich aus geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen an die Feinde Österreich-Ungarn bzw. Frankreich. In den Augen von Bundeskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (siehe Bild im Durchbruch) stellte Russland zunehmend eine Bedrohung für Deutschland dar. Im Sommer 1912 bemerkte er bei einem Besuch im Zarenreich mit Besorgnis dessen Potenzial an Ressourcen und Menschen: „Rußland wächst und wächst“. [Rusland groeit en groeit]. Auf absehbare Zeit Krieg gegen die „russische Despotie“ zu führen, erschien ihm besser, als noch ein paar Jahre zu warten, bis die Russen ihr volles Potenzial entfalten.
„Die konservative Revolution“
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Karten wieder anders gemischt. Die Monarchien Deutschlands und Russlands waren gestürzt worden. Beide Länder waren in den Augen der Westmächte Paria-Staaten: Deutschland als „Verursacher“ (und Verlierer) des Krieges, Sowjetrussland als der Staat, von dem die Rote Gefahr ausging. Genau dieses Gefühl der Ausgrenzung brachte die Weimarer Republik und Sowjetrussland zusammen. Mit dem Vertrag von Rapallo vom 16. April 1922 beschlossen sie, wirtschaftlich und militärisch enger zusammenzuarbeiten.
In diesen Jahren gab es neben den Kommunisten der starken KPD auch viele deutsche Nationalisten, die Russland bewundernd als Gegenmacht zum feindseligen und verkommenen Westen betrachteten. Arthur Moeller van den Bruck zum Beispiel, führende Persönlichkeit der Konservativen Revolution und Autor des Buches Das drette Reich (1923) – geträumt ein Bündnis zwischen den „jungen Völkern“ Russlands und Deutschlands, dessen Dynamik sie der Zukunft angehört. ‚Linke oder rechte Leute“ nannte der Publizist Otto-Ernst Schüddekopf in seinem gleichnamigen Buch von 1960 Persönlichkeiten wie den Nationalbolschewisten Ernst Niekisch, der in einem Cocktail aus Nationalismus, Rätewesen und einem nichtmarxistischen Sozialismus Potenzial sah.
Wohnraum
Laut Historiker Thomas Weber in dem Buch Hitler werden: Die Entstehung eines Nazis (2017) Adolf Hitler hätte als frischgebackener Politiker auch ein Interesse an einer deutsch-russischen Fusion gehabt, aber er hat diese Idee zugunsten der ‚Wohnraumim Osten für das deutsche Volk. Der Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion diente nur taktischen Zwecken.
Wjatschels BesuchavmÖDer sowjetrussische Außenminister Lotow vom 12. bis 14. November 1940 in Berlin brachte nicht den erhofften Beitritt der Sowjetunion zur Achse Berlin-Rom-Tokio. Sie führte auch nicht zu einer Einigung über die Einteilung der Welt in Einflusssphären.
Ostpolitik und billige Gas- und Ölversorgungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bundesrepublik Deutschland in den Westen integriert. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) führte den jungen westdeutschen Staat nach Europa (über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) und zur NATO. Aber auch während des Kalten Krieges war sich die Bundesrepublik der Notwendigkeit bewusst, gute politische Beziehungen zu Moskau zu pflegen, wie z Ostpolitik Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Wirtschaftlich hat dies zu hohen Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe in Russland geführt. 3651 deutsche Unternehmen waren bis zum Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine in Russland aktiv.
Deutschland war unterdessen auf Lieferungen von billigem Gas und Öl aus Russland angewiesen. Gleichzeitig fühlten und fühlen sich die Deutschen schuldig für die Verbrechen, die die Nationalsozialisten in ihrem Angriffskrieg zwischen 1941 und 1944 auf dem Gebiet der Sowjetunion begangen haben. Die DDR selbst bejubelte die „Freundschaft“ mit der Sowjetunion mit den Worten „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen‚. Obwohl sowjetisch-russische Truppen in Ostdeutschland nicht immer beliebt waren, hinterließen ihre Anwesenheit und die Indoktrination der Bevölkerung mit marxistisch-leninistischen Ideen und Russisch als obligatorische Unterrichtssprache ihre Spuren.
Linkes und rechtes Verständnis für Russland
All diese historischen Ereignisse erklären, warum es im wiedervereinigten Deutschland viele davon gibt Russlandversteher waren in Politik, Medien und Wissenschaft zu finden, sowohl links als auch rechts. Auch wenn sich niemand mehr mit diesem Label herumschlagen will, gibt es immer noch eine unter der Haut liegende Verbindung zwischen Deutschland und Russland. Wenn Putins „militärische Spezialoperation“ zu Ende geht, könnte er wieder auftauchen, wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat.
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