Das waren eindringliche Bilder letzte Woche. Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin, stattete Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, einen unangekündigten Besuch ab, erbittert umkämpft, immer unter Beschuss und nahe der russischen Grenze. Sie ging durch die Ruinen, die vor einem Jahr noch Wohngebiete mit Kinderspielplätzen waren. Sie wolle selbst sehen, „was es braucht, um ukrainische Städte zu befreien“.
In Deutschland hat Baerbock den höchsten politischen Stellenwert (gefolgt von seinem Grünen-Kollegen Robert Habeck). Die gespaltene deutsche Koalition zögert, Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken, aber ihre Position ist klar.
Über den Autor
Arnold Brauer ist Historiker und Herausgeber von von Volkskrant. Alle zwei Wochen schreibt er eine Austauschkolumne mit Arie Elshout.
Deutschland zeigt Europa in diesen Tagen mit Baerbock und Bundeskanzler Scholz als Dr. Jekyll und Mr. Hyde ein gespaltenes Bild. Baerbock ist damit das moderne Gesicht eines Deutschlands, das weiß, wie es ist Ostpolitik gegenüber Moskau aus den Fugen geraten ist, dass die Ukraine all ihre militärische Unterstützung leisten will, um nicht vernichtet zu werden, und dass sie auch ihr Verhältnis zu China gründlich überprüfen will. Scholz ist der gequälte Politiker der SPD, der zugegebenermaßen ein Zeitenwende angekündigt, hält aber weiterhin an der deutschen Unterstützung für die Ukraine fest und toleriert Chinas Exportabhängigkeit.
Vor einer kurzen Ewigkeit habe ich an der Edition der Sammlung mitgewirkt Was sind Verknüpfungen? Es wurde kein Bestseller, aber die Frage kann im Zusammenhang mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine erneut gestellt werden. Und dann lautet die Antwort: In Deutschland, aber auch in den Niederlanden kämpft die neue Linke nicht nur gegen die globale Erwärmung, sondern auch gegen die Autokraten, die ihr eigenes Volk versklaven und ihre Aggression gegen ihre Nachbarn entfesseln.
Als Den Haag vor einigen Jahren China als mehr als einen billigen Nachbarschaftssupermarkt „entdeckte“, gab mir der VVD-Abgeordnete Sven Koopmans lachend zu, dass GroenLinks ihm mit einem eigenen Memorandum zu China zuvorgekommen sei. Dabei erweist sich GroenLinks als bemerkenswert modern im Verständnis der chinesischen Bedrohung, die sich nicht nur im militärischen, sondern auch im wirtschaftlich-technologischen Bereich manifestiert. Diese Haltung ist auch bei den deutschen Grünen zu beobachten, die angesichts des deutsch- (und niederländisch-)russischen Fiaskos nun für eine realistischere China-Politik plädieren.
Baerbock ist, was einst Joschka Fischer war – das Gesicht einer linken Bewegung, die versteht, dass man in dieser unvollkommenen Welt manchmal zu den Waffen greifen muss, um sich gegen Aggressionen zu wehren. Fischer tat es Ende der 1990er Jahre, um Milosevic davon abzuhalten, Kosovaren zu massakrieren. Später konfrontierte er die Amerikaner hart, als sie unter falschen Vorwänden in den Krieg gegen den Irak zogen. Dennoch befreite er die Linke vom bisherigen vulgären Antiamerikanismus guter ton früher war.
Obwohl „Polarisierung“ zu einem alles erklärenden Zauberwort geworden ist, zeigt die westliche Reaktion auf Putins Aggression das genaue Gegenteil: eine von links und rechts geteilte Erkenntnis, dass dies nicht vorübergehen kann. Kein Pasarán! Es ist nicht verwunderlich, dass ein so disruptiver „Transformationskrieg“ zu neuen Perspektiven führt. Zum Beispiel gab Jesse Klaver zu, dass seine Partei mit Kürzungen bei der Verteidigung falsch lag. Jasper van Dijk (SP) sah daraufhin keinen Unterschied zwischen VVD, PvdA und GroenLinks – was er nicht als Kompliment meinte.
Natürlich gibt es alternative Geschmacksrichtungen. Da ist Putins Umarmung durch Baudet. Und kürzlich forderte eine ausgewählte Gruppe (darunter mein berühmter Kollege Bert Wagendorp) von eigenen und anderen Prominenten in einem Pamphlet die westlichen Länder auf, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen.
Die Ukraine droht zu einem Land zu werden, in dem die Bevölkerung mit Kälte und Hunger konfrontiert ist. Heilige Scheiße, dachte ich. Über die Hinrichtungen, die Folterungen, die Entführungen von Kindern, die Vergewaltigungen, die Todesfälle und die völkermörderische Natur der russischen Aggression hinaus kamen sie zum Kern der Sache!
Was sagte Baerbock, der am Montag zu Konsultationen in Den Haag ist, zum russischen Waffenstillstandsvorschlag? „Wenn Putin Frieden will, muss er nur seine Soldaten nach Hause rufen. Ein sogenannter Waffenstillstand bringt weder Freiheit noch Sicherheit. Das russische Fernsehen wunderte sich derweil, warum Baerbock nicht von einer Rakete ausgeschaltet worden war.
Baerbock ist nicht allein, die Christdemokraten Ursula von der Leyen in Brüssel ist ein weiteres Gesicht der deutschen Führung. Das bestärkt die Hoffnung, dass Europa nach jahrelangen Irrwegen endlich widerstandsfähig genug sein wird, um sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Vielleicht.
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