Vor mehr als zwei Jahren brach der deutsche Zahlungsabwickler Wirecard zusammen. Seitdem landete der Firmenchef im Gefängnis, die Nummer zwei floh nach Russland, deutsche Ordnungshüter wurden verprügelt und sogar Ex-Kanzlerin Angela Merkel erschossen. Der Prozess gegen drei ehemalige Spitzenkräfte beginnt am Donnerstag.
Wirecard gilt seit vielen Jahren als europäisches Technologiejuwel. Das Unternehmen wurde 1999 gegründet und ist auf die Zahlungsabwicklung spezialisiert, unter anderem mit einer eigenen digitalen Kreditkarte, einer Zahlungsanwendung und Dienstleistungen für große Unternehmen wie KLM. Es hat sich zu einem multinationalen Unternehmen im Wert von mehreren zehn Milliarden Euro entwickelt.
Im Jahr 2020 wurde deutlich, dass der Wirecard-Vorstand deutlich an den Zahlen geschraubt hatte. Ein Betrag von 1,9 Milliarden Euro stellte sich heraus, dass er überhaupt nicht existierte und nie existiert hat. Mit den zusätzlichen Milliarden wollte das Management Investoren und Banken anlocken.
Darüber hinaus wurden Hunderte Millionen Euro in dubiosen Transaktionen an fiktive Unternehmen getätigt und Dokumente aller Art gefälscht. Als die Nachricht von dem Betrug bekannt wurde, brach das Münchner Unternehmen schnell zusammen.
Hochrangige Männer werden des Betrugs und der Unterschlagung verdächtigt
In dem Strafverfahren stehen drei leitende Angestellte vor Gericht, darunter Markus Braun, der das Unternehmen seit 2002 leitet. Den dreien werden unter anderem Betrug, Unterschlagung und Marktmanipulation vorgeworfen.
Der bemerkenswerteste Abwesende ist Jan Marsalek, Wirecards Nummer zwei und verantwortlich für die asiatischen Teile des Geschäfts, wo ein Großteil der verdächtigen Aktivitäten stattgefunden hat. Der gebürtige Österreicher lief kurz nach dem Zusammenbruch von Wirecard davon.
Laut dem Forschungskollektiv Bellingcat ist Marsalek nach Weißrussland geflogen und versteckt sich jetzt irgendwo in Russland. Neben den Ermittlungsdiensten sollen auch einige westliche Geheimdienste nach ihm suchen, da ihm Verbindungen zum russischen Geheimdienst FSB nachgesagt werden.
Politiker und Aufsichtsbehörden wurden kritisiert
Nach dem Skandal geriet auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin unter Beschuss. Der Aufpasser hätte vorher gewusst, dass Wirecard nicht in Ordnung ist, wäre aber nicht dagegen vorgegangen. Die europäische Aufsichtsbehörde ESMA hat inzwischen festgestellt, dass die BaFin ihre Arbeit tatsächlich nicht richtig gemacht hat.
Darüber hinaus mussten einige prominente deutsche Politiker den Preis zahlen. So hätte etwa der damalige Finanzminister Olaf Scholz – der jetzige Bundeskanzler – schon vor 2020 gewusst, dass es bei Wirecard nicht rund läuft. Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel wurde vorgeworfen, bei einem Besuch in China für Wirecard geworben zu haben.
Merkel glaubt, man könne ihr keinen Vorwurf machen, da sie damals nicht wissen konnte, dass Wirecard gegen die Regeln verstößt. Auch Scholz geht von Vorwürfen aus. Der damalige Vorstandsvorsitzende, die Aufsichtsbehörde BaFin, musste das Feld verlassen.
Dem ehemaligen Wirecard-Chef Braun ist derweil kein Schaden bekannt. Er behauptet, von den fragwürdigen Aktivitäten nichts gewusst zu haben. Er sagt, eine Gruppe von Führungskräften unter der Führung von Marsalek habe den Betrug durchgeführt und Braun nie davon erzählt.
Es verspricht eine schleppende Angelegenheit zu werden. Bis Ende nächsten Jahres sind rund 100 Verhandlungstage am Münchner Gericht geplant. Das Verfahren wird voraussichtlich bis 2024 andauern. Der Fall wird am Donnerstag mit der Verlesung der Anklage eingeleitet. Das Dokument hat nicht weniger als 89 Seiten.
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