Fußball-Europameisterschaft 2024: Warum nur 2 der 10 Austragungsorte in der ehemaligen DDR liegen

Auch bei der Europameisterschaft will sich Deutschland als geeintes Land präsentieren.

Als Deutschland bei der WM 2006 das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica mit 4:2 gewann, meinte Mittelfeldspieler Torsten Frings hinterher, dass der Sieg die Einheit der Mannschaft, vor allem aber des Landes betonen solle. Dies spiegelt den Geist wider, in dem dieses Turnier begann: Siebzehn Jahre nach dem Fall der Mauer musste Deutschland der ganzen Welt zeigen, dass es ein geeintes Land ist. Auch wenn in der ehemaligen DDR nur in einem Stadion gespielt wurde (in Leipzig) und nur eine Mannschaft aus der Ukraine ein Hotel bezog (in Potsdam). Fünf Spiele wurden in Leipzig ausgetragen, die anderen 59 im Westen.

Der Fall der Mauer im November 1989 löste eine emotionale Feier aus. Doch nachdem die Euphorie verflogen war, folgte schnell die Ernüchterung: Deutschland blieb ein geteiltes Land, in den Köpfen der Menschen gab es eine Mauer. Die Kluft zwischen Kapitalismus und Kommunismus konnte nicht überbrückt werden. Politik wurde auf unterschiedliche Weise gemacht, man redete über Ossis und Wessis. Vor allem ältere Menschen leiden mit den Folgen des Systems. Die Löhne waren niedriger, die Arbeitslosigkeit höher. Dies schien die Politik zunächst nicht zu beunruhigen: Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl bestand vor allem darauf, dass Deutschland ein vollwertiger europäischer Partner werden sollte. Als wäre die Vereinigung eine historische Fußnote.

Eine Welle des Patriotismus

In diesem Sinne ist es bemerkenswert, dass die Weltmeisterschaft 2006 eine Wiederbelebung des Patriotismus hervorrief. Angela Merkel ist zur Kanzlerin des „FC Deutschland“ ernannt worden. Jeder ritt auf den Wellen des Nationalismus. Dies wird auch bei der nächsten Europameisterschaft erwartet, die am Freitag beginnt. Schwarz-Gelb-Gold wird das Straßenbild dominieren, besonders wenn die deutsche Nationalmannschaft erfrischenden Fußball bringt.

Es ist seltsam, dass große Sportereignisse in Deutschland neben dem sportlichen Erlebnis auch eine traumatische Vergangenheit haben. Der 2006 verwendete Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ sorgte für Gelächter. Schon heute gibt es einen Slogan, der den verbindenden Charakter des Sports unterstreichen soll: United by Football, Vereint im Herzen Europas. Das ändert nichts an der Tatsache, dass es trotz der fröhlichen Atmosphäre immer noch Intellektuelle und andere Denker gibt, die uns an die dunkle Geschichte des Landes erinnern. Damit ist jedoch nicht Schluss: In den Schulen wird noch immer die Zeit des Nationalsozialismus und der Zeit vor der Wende unterrichtet.

Die gleichen Renten

Diese Europameisterschaft muss ein Fest des Fußballs sein, ein Fußballmärchen, das innere Einheit schafft, Einheit mit der ganzen Welt. Im Osten hingegen blieb alles beim Alten. Die Europameisterschaften sind dort deutlich weniger lebhaft, insbesondere weil dort nur zwei der zehn Austragungsstädte (Berlin und Leipzig) vertreten sind. Das Turnier wird von vielen ignoriert, obwohl sich mit England und Kroatien zwei Länder für ihren Sitz in der ehemaligen DDR entschieden haben. Die Menschen hatten sich mehr Demokratie vorgestellt. Der Lebensstandard ist niedriger als im Westen, auch wenn die Renten kürzlich angeglichen wurden. Abgesehen davon scheint sich die Kluft noch weiter vergrößert zu haben. Der Aufstieg der rechtsradikalen Partei AfD, die im Osten stärker ist als im Westen, verdeutlicht diese Unzufriedenheit.

Es erwies sich schnell als illusorisch, dass die Weltmeisterschaft 2006 zu einer zweiten Wiedervereinigung führen würde. Das wird jetzt nicht anders sein. Die Geschichte der DDR wird immer noch politisiert und verharmlost. Es wird Generationen dauern, bis das Land wirklich geeint ist. Das Grau ist längst von den Straßen verschwunden, nicht aber aus den Köpfen. Christian Arbeit, Kommunikationsdirektor des Fußball-Bundesligisten Union Berlin, der im Osten Berlins aufgewachsen ist, brachte es auf den Punkt: „Setzen Sie mich mit verbundenen Augen in einen beliebigen Bezirk Berlins und ich weiß in zwei Sekunden, ob ich im Osten oder im anderen bin.“ Westen. ‚

Kann die deutsche Mannschaft bei der Europameisterschaft 2024 noch überzeugen?

Adelhard Simon

"Subtil charmanter Denker. Organisator. Schöpfer. Hingebungsvoller Zombie-Geek. Web-Guru. Zertifizierter Kommunikator."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert