Frage aus der Öffentlichkeit: Sind Frankreich und Deutschland die treibenden Kräfte der EU?

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Sind Frankreich und Deutschland die treibenden Kräfte hinter der EU?

Während die Wahlen zum Europäischen Parlament näher rückten, beantworten Clingendael-Experten Fragen unseres Online-Publikums. In dieser zweiten Folge fragt Alexander Heydendael: „Sind Frankreich und Deutschland die treibende Kraft hinter der EU?“ René Cupérus antwortet.

René, eine gute aktuelle Frage, bitte angeben. Wie ist Ihr bisheriger Eindruck von diesem Motor?

Manchmal ist es besser gelaufen als heute. Wir wissen, dass zwischen dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht viel Chemie herrscht. Dies liegt vor allem daran, dass sowohl Deutschland als auch Frankreich ihre eigenen innenpolitischen Anliegen haben. Deutschland macht, was es heißt „Die Zeit der Zeit“ Durch. Durch den Krieg in der Ukraine kam es in Deutschland zu einer starken Desorganisation. Viele Gewissheiten und Selbstverständlichkeiten der Nachkriegszeit sind betroffen. Russland hat seine Rolle als Energie- und Industriepartner aufgegeben. Auch Deutschland ist gezwungen, seinen Verteidigungshaushalt deutlich zu erhöhen. Die „Ampelkoalition“ (in Anlehnung an die Parteifarben, Anm. d. Red.) aus Sozialdemokraten (SPD), Liberalen (FDP) und Grünen stellt in Zeiten geopolitischer Turbulenzen keine starke Einheit dar, und Scholz schafft es nicht wirklich, darüber hinauszugehen. sich selbst. Auch Frankreich erlebt derzeit große politische Unruhen, Fragmentierung und Polarisierung. Marine Le Pen steht noch in den Startlöchern und wird bei der Europawahl sehr gut abschneiden. Damit Brüssel ein Mandat für eine groß angelegte europäische Politik erhält, muss die Situation auf nationaler Ebene stabil sein. In Deutschland wie in Frankreich ist dies nicht der Fall, der deutsch-französische Motor läuft daher mit niedriger Drehzahl.

Wo fehlt Ihrer Meinung nach aktuell die Chemie?

Macron gab einen (neuen) Rede an der Universität Sorbonne in Paris. Er befürwortete den Aufbau eines starken geopolitischen Europas als Gegengewicht zu China, Russland und den Vereinigten Staaten. Wenn wir das nicht tun, sagte Macron etwas zu dramatisch, „könnte Europa sterben.“ Dann merkt man, dass es in Deutschland keine starke Reaktion darauf gibt. Macrons geostrategische Ausrichtung stieß in Berlin nicht sofort auf Begeisterung. In Deutschland wird dies auch als Geschichte über Macrons Europakampagne gesehen.

Damit Brüssel ein Mandat für eine groß angelegte europäische Politik erhält, muss die Situation auf nationaler Ebene stabil sein. Dies ist in Deutschland und Frankreich nicht der Fall.

Ein weiterer Faktor, der dazu führt, dass der deutsch-französische Motor nicht immer richtig funktioniert, ist die Tatsache, dass die Länder unterschiedliche Regierungsstrukturen haben.

Ja, Frankreich ist ein stark hierarchisches Land, in dem der französische Präsident viel Macht und Handlungsspielraum hat, auch wenn es darum geht, so große europäische Geschichten zu erzählen. Deutschland hingegen ist ein starkes föderales Land. Scholz ist zwar Kanzler, aber er hat nicht die Allmacht des französischen Präsidenten. Scholz muss sich mit seiner Koalition auseinandersetzen und auch die Bundesländer haben viel zu sagen. Deutschland kann nicht leichter mit einer Stimme sprechen als Frankreich.

Der Text wird unter dem Video fortgesetzt.

Welche Funktion hat die deutsch-französische Maschine (auch Achse genannt) in der Europäischen Union?

Ein Teil des Geheimnisses dieser Achse liegt darin, dass Frankreich zunehmend den Süden Europas und Deutschland den Norden repräsentiert. Die Idee ist also: Wenn Frankreich und Deutschland eine Einigung erzielen, werden sich der Norden und der Süden mehr oder weniger versöhnen. Erst dann ist der Verkehr in Brüssel möglich. Oftmals kann sich ein Land wie die Niederlande am Ende dem deutschen Vorschlag anschließen und Länder wie Spanien oder Italien stimmen der französischen Position zu.

Wenn wir die Proportionen ein wenig abflachen, kommen die großen Ideale und die großen Geschichten aus Frankreich und das Geld aus Deutschland, wo nicht zufällig die Europäische Zentralbank ihren Sitz hat. Deutschland ist der wirtschaftliche Riese Europas, während Frankreich eher der politische und militärisch-strategische Teil des Motorblocks ist. Beispielsweise hat Frankreich im Gegensatz zu Deutschland einen Sitz im UN-Sicherheitsrat und verfügt über ein Atomwaffenarsenal Gewaltschlag. Ein Teil der europäischen Abschreckungsmacht gegen Putins Russland befindet sich daher in Frankreich.

Frankreich und Deutschland haben in diesem Bereich eine lange Geschichte Kriege. Wie wichtig ist es, dass diese Länder gemeinsam das europäische „Projekt“ anführen wollen?

Das sagt alles. Die erbliche deutsch-französische Feindschaft ist Quelle und Grundlage der europäischen Versöhnung. In der Region Elsass-Lothringen zwischen Frankreich und Deutschland kam es häufig zu Schlachten. Derzeit gehört es wieder zu Frankreich. Hier ist auch ein Großteil der europäischen Kohle- und Stahlindustrie angesiedelt, was von strategischer Bedeutung ist. Nicht umsonst ist Straßburg, die Hauptstadt des Elsass, Sitz des Europäischen Parlaments (neben Brüssel, Anm. d. Red.). Diese Stadt wurde so heiliggesprochen, dass Menschen diesen Sitz trotz monatlicher Reisen nicht besuchen können. .Ich will aufgeben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Große Versöhnung vom französischen Präsidenten Charles de Gaulle und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer initiiert. Sie schlossen 1963 den Élysée-Vertrag, in dem eine umfassende Zusammenarbeit beider Länder vereinbart wurde. Noch immer treffen sich Frankreich und Deutschland fast jedes Jahr in einem prächtigen Schloss, um über die zukünftige Gestaltung Europas zu diskutieren. Und sie tun dies in Zusammenarbeit mit beiden Regierungen. Dieser Vertrag führte auch zu einem groß angelegten Austausch deutscher und französischer Studenten und Schüler.

Der deutsch-französische Motor bildet auch die Grundlage der europäischen Währungsintegration. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die deutsche Wiedervereinigung nach dem Fall der Berliner Mauer. Wie war es?

Das ist richtig. Das Sühneopfer, das Deutschland für seine Vereinigung zahlen musste, war die Aufgabe der mächtigen Mark DM. Der damalige französische Präsident Mitterrand bezeichnete die deutsche Währung sogar als „Deutschlands Atombombe“. Deutschland musste diese Währung gegen den (schwächeren) Euro umtauschen. Es gab einen gewissen Widerstand gegen die Vereinigung, weil man befürchtete, dass das Gleichgewicht in Europa gestört würde und eine deutsch-französische Asymmetrie durch ein vergrößertes, neu mächtiges Deutschland entstehen würde. Die Achse wäre nicht richtig ausgerichtet. Dies geschah nicht wirklich, schon allein deshalb, weil sich die DDR lange Zeit als schwere Belastung für Deutschland erwies. Tatsächlich ist der Euro aber auch ein deutsch-französischer Kompromiss.

Manchmal sehen wir, dass zu viel Macht in große Länder verlagert wird, aber manchmal haben große Länder furchtbar wenig vorzuweisen.

Funktioniert der deutsch-französische Motor nicht zu sehr zu seinem Vorteil?

Es ist eine komplizierte Frage. Das ist wahr und nicht wahr. Es gibt Subventionsströme, die überproportional an französische und deutsche Unternehmen fließen. Und wir hören oft, dass viele Deutsche einflussreiche Positionen in der europäischen Bürokratie bekleiden. Nicht umsonst spielt die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, als Deutsche und Mitglied der CDU eine so dominante Rolle. Der Wettbewerb, dem sich niederländische Beamte stellen müssen, um nach Brüssel zu kommen und dort zu arbeiten, ist eng an das französische Bildungssystem angelehnt. Die Franzosen sind daran gewöhnt und machen es gut, die Niederländer oft weniger.

Manchmal stellen wir fest, dass zu viel Macht an große Länder übertragen wird (sie bleiben oft von Verstößen gegen Haushaltsregeln verschont), aber manchmal haben große Länder auch erbärmlich wenig vorzuweisen. Deutschland hat beispielsweise nur einen Sitz in der Europäischen Zentralbank, obwohl es das Land ist, das den höchsten Beitrag zur Union leistet. Würde die EU ohne Reformen auf die Westbalkanländer ausgedehnt, würden die Länder des ehemaligen Jugoslawiens sieben Kommissare in der Europäischen Kommission haben. Anschließend sitzen sie einem französischen Kommissar und einem deutschen Kommissar gegenüber. Große Länder verfügen dann über eine unverhältnismäßige Macht. In den Beziehungen zwischen großen und kleinen Ländern ist daher ständige Wachsamkeit erforderlich. Wir müssen verhindern, dass die Unterstützung Frankreichs und Deutschlands für das europäische Projekt gefährdet wird, genauso wie kleine Länder innerhalb der EU gesehen und respektiert werden müssen. Generell lässt sich jedoch sagen, dass die Europäische Union eher dazu geeignet ist, die Macht großer Länder zu neutralisieren als das Großmachtdenken der Vergangenheit.

Da ist vielleicht ein bisschen Sand drin, aber läuft der deutsch-französische Motor weiter? Oder übernehmen andere das Steuer?

Wie auch immer die Situation sein mag, Deutschland und Frankreich sind immer noch die treibende Kraft Europas. Die Frage ist vielmehr: Wie viel Benzin gibt es? Wer sitzt am Steuer? Geht es schnell genug? Es ist wichtig, dass kleine Länder, aber auch Wissensinstitute wie Clingendael, mit guten Ideen und Analysen Einfluss auf diesen Motor nehmen. Wichtig ist auch, auf die Unterschiede in Europa zu achten. Aber Frankreich und Deutschland bilden auf die eine oder andere Weise den dynamischen Dreh- und Angelpunkt, um den herum Europa seine geopolitische Stärke in einer Welt im Abdriften entwickeln muss.

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Adelbert Eichel

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