Die Linke in der Existenzkrise – Deutsches Institut

Es wird ein symbolischer Moment sein, wenn Die Linke, deren Ausrichtung mit der der SP in den Niederlanden vergleichbar ist, im Herbst neue Fraktionsvorsitzende wählt. Der Entscheidung der beiden derzeitigen Fraktionsführer, ihr Amt nicht mehr antreten zu wollen, folgt ein monatelanger Orientierungskampf innerhalb der Partei um die berühmte Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht, der die Krise weiter verschärfte die Party. größer als er ohnehin schon war. .

Der jüngste Konflikt brach nach dem russischen Angriff auf die Ukraine aus. Die offizielle Linie der Partei Die Linke könnte noch als klassisch pazifistisch bezeichnet werden: Sie stimmte gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, schob die Verantwortung für den Krieg aber eindeutig Russland zu. Wagenknecht hingegen organisierte eine große „Friedensdemonstration“, die laut Kritikern viel zu weit von Russland und rechtsextremen Gruppen entfernt sei.

In den letzten Jahren gab es einen ebenso grundlegenden Konflikt um die Steuerung der Migration. Das Programm der Linkspartei folgt der in Deutschland üblichen progressiven Linie und lehnt eine Begrenzung der Zahl der Asylbewerber ab. Wagenknecht, Tochter einer ostdeutschen Mutter und eines iranischen Vaters, plädiert dagegen für eine Deckelung der Zahl der Asylbewerber.

Aufgrund ihrer Ansichten ist Wagenknecht (1969) innerhalb ihrer eigenen Partei äußerst umstritten, in progressiven Medien wird sie auch regelmäßig mit der rechtspopulistischen AfD gleichgesetzt. Im Juni forderte die Parteispitze Wagenknecht auf, sein Bundestagsmandat aufzugeben und die Partei zu verlassen.

Beliebter bei den Wählern ist die ehemalige Kommunistin, die seit Jahren in deutschen Talkshows mit ihren dunklen Haaren und gepflegten Anzügen glänzt. Nachdem Wagenknecht nun darüber nachdenkt, eine eigene Partei zu gründen, kann er einigen Umfragen zufolge mit der Sympathie von 20 Prozent der Wähler rechnen.

„Die Wagenknecht-Abspaltung ist eine Chance für Die Linke“

Eine neue Wagenknecht-Partei löst bei Die Linke gemischte Gefühle aus. Laut Mario Candeias, Leiter des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken, ist die mögliche Spaltung vor allem eine „Chance“. Sein Abgang könne die linke Parteilinie endlich wieder „klar“ machen, sagt er gegenüber Germany Web. Denn Candeias muss zugeben, dass die Karten für Die Linke nicht gut stehen. Bei den letzten Wahlen 2021 hat Die Linke nicht die Fünf-Prozent-Hürde erreicht, sondern weil sie es geschafft hat Direktmandat schaffte es zu gewinnen (es war also der größte in drei Wahlkreisen), sie bekam dennoch Sitze im Bundestag. Wenn nur wenige Linke-Parlamentarier Wagenknecht folgen, wird die Linke-Fraktion unter 37 Sitze fallen und die Partei wird keine „Parteirechte“ mehr und damit weniger Geld und Einfluss haben.

Die aktuelle Krise in der Partei verstärke die Spaltungen, die es schon immer gegeben habe, glaubt Candeias. Die Linke wurde 2007 als Zusammenschluss ehemaliger DDR-Sozialisten und unzufriedener Mitglieder der westdeutschen SPD gegründet. Die beiden Traditionen haben sich nie wirklich gemeinsam entwickelt und scheinen sich nun sogar wieder voneinander zu entfernen. So wird Die Linke voraussichtlich in einigen Wochen nicht wieder in den hessischen Landtag gewählt. Damit verlor die Partei ihre einzige Vertretung in einem westdeutschen Parlament – ​​die Parlamente der „Stadtstaaten“ Bremen, Berlin und Hamburg nicht mitgerechnet.

Auch in Ostdeutschland ist die Ära des Erfolgs vorbei

In Ostdeutschland ist das schwerer vorstellbar, aber auch dort sind die Tage des Erfolgs vorbei. Für die ostdeutschen Wähler ist Die Linke die wichtigste Protestpartei gegen das „Establishment“ der letzten 15 Jahre. Die Situation hat sich in den letzten Jahren geändert, seit die AfD, eine rechtspopulistische Partei, in den neuen Bundesländern zur Protestpartei für den „kleinen Mann“ geworden ist.

Laut Wagenknecht steckt hinter seinem Kampf mit der Parteispitze nichts Geringeres als die große Frage, was genau die Linke sein soll. Die Linke habe sich verirrt, schrieb sie 2021 in ihrem Buch „Die Selbstrechter“: Angeführt werde die Partei von „Lifestyle Links“, jungen Großstadtökologen, die nicht zu den alten Arbeitern, den Armen, den Geringgebildeten oder den Erfahrenen gehören vieler ostdeutscher Wähler wird vermisst. Die Partei verfolgte einen „sozial-ökologischen“ Weg und kam damit den linksliberalen Vorstellungen der Grünen zu nahe.

Diese Positionierung gegen den zeitgenössischen „elitären“ Linksliberalismus scheint bei den Wählern Anklang gefunden zu haben. Im aktuellen Artikel „Eine Brücke zwischen links und rechts? » Im Rahmen der Politischen Vierteljahresschrift (PVS) untersuchen drei Politikwissenschaftler die mögliche Attraktivität einer Wagenknecht-Partei. Wagenknechts Programm ist wirtschaftlich radikal links, aber soziokulturell, wie auch bei der Migration, oft überraschend konservativ, ja sogar „autoritär“. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass der Politiker gerade aufgrund dieser „linkskonservativen“ Kombination bei den Wählern beliebt ist, was andere linke Parteien nicht haben.

„Wagenknecht wird AfD-Wähler ansprechen“

Wagenknechts Wahlerfolg wirft für Die Linke eine neue Frage auf: Wenn Wagenknechts „Linkskonservatismus“ tatsächlich erfolgreich sein könnte, wäre das nicht auch eine Zukunftsstrategie für Die Linke selbst? Candeias von der Rosa-Luxemburg-Stiftung lehnt diese Option entschieden ab. Seiner Meinung nach sind für linke Wähler Themen wie Armut und Ungleichheit ausschlaggebend, nicht Migration. Er geht davon aus, dass Wagenknecht mehr „rechte Wähler“ ansprechen und daher vor allem für die AfD ein Problem darstellen wird.

Aber Jan Philipp Thomeczek, einer der Autoren des Artikels „Eine Brücke zwischen links und rechts? „, sieht das anders, erklärt er gegenüber Germany Web. Er sagte, die Zulassung „vielschichtiger“ Meinungen zu sensiblen Themen wie Migration würde eine breitere Gruppe linker Wähler ansprechen. Vor allem in Ostdeutschland wählen mittlerweile viele Wähler die AfD statt Die Linke. Sie werden dann von seinen „konservativen“ soziokulturellen Positionen angezogen, während sie sich nicht für seine rechten wirtschaftlichen Positionen interessieren. Es handele sich nicht um Millionen von Wählern, sagt Thomeczek, aber für eine Partei nahe der Wahlschwelle könnten sie durchaus einen Unterschied machen.

Adelbert Eichel

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