„Die Entlassung der Grünen-Parteispitze wirft einen Schatten auf die Scholz-Regierung“

Dirk Rochtus denkt über die Folgen der Entlassung der Führung der Grünen nach den Ergebnissen der jüngsten Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern nach.

Die drei Regierungsparteien Deutschlands haben bei den jüngsten Wahlen in drei östlichen Bundesländern Niederlagen erlitten. Der sozialdemokratischen SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz gelang es erst am vergangenen Sonntag in Brandenburg, ein akzeptables Ergebnis zu erzielen. Das ist sie dem scheidenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) zu verdanken, der den Wahlkampf auf ihn konzentrierte. Die liberale FDP unterschritt in allen drei Bundesländern die Fünf-Prozent-Hürde; in Brandenburg erreichte sie sogar eine peinliche Quote von 0,83 %. In Sachsen übertrafen die Grünen mit 5,1 % lediglich die Wahlhürde. Auch in Thüringen und Brandenburg scheiterten sie.

Kontrolle

Analysten erwarteten, dass die FDP durch den Austritt die Ehre behalten würde.Lose», Scholz‘ Ampelkoalition. Sie hat es nicht getan. Doch dies hätte seine letzte Chance sein können, sich aus der Umklammerung der anderen beiden Parteien – der Linken – zu befreien. Für die große Überraschung der Woche sorgten die Grünen und insbesondere ihre beiden Ko-Vorsitzenden. Omid Nouripour und Ricarda Lang saßen am Mittwochmorgen neben dem sechsköpfigen Vorstand der Partei.der Parteiregierung» – ihr Rücktritt. Diese Entscheidung haben sie erst am Dienstagabend getroffen.

„Übergangsregierung“

Kommt wie ein Donnerschlag, der ‚Rücktritt„Nicht jetzt. In den letzten Monaten wurde Nouripour klar, wie sehr er unter dem Rückgang der Wählerunterstützung der Grünen leidet. Seit 2023 hat die Partei bereits sieben nationale Wahlen verloren und bei der Europawahl im Juni dieses Jahres halbierte sich ihr Wähleranteil auf 11,9 %. Schon die schlechten Ergebnisse am 1. September in Sachsen und Thüringen waren ein kalter Schauer, doch vor allem „Brandenburg“ sorgte dafür, dass die Stimmung der Grünen unter den Gefrierpunkt sank. Letzten Montag haben die Realos, die sogenannten „realistischen“ Kräfte innerhalb der Partei, Nouripour während eines digitalen Treffens angeprangert. Der müde und entmutigte Co-Präsident erklärte, er wolle „nicht noch viel mehr Emotionen in diese Koalition bringen“ (Anm. d. Red.: die Ampel-Koalition). Zuvor hatte er bereits das „Lose» eine „Übergangsregierung“ genannt. So viel Pessimismus können sich die Grünen genau ein Jahr vor der Bundestagswahl nicht leisten.

Migration

Für Irritationen sorgte auch Ko-Vorsitzende Ricarda Lang, als sie nach der Wahlniederlage in Sachsen und Thüringen erklärte, Einwanderung sei kein wichtiges Thema gewesen. Die schwindelerregenden Persönlichkeiten der AfD und des BSW, der ebenfalls einwanderungskritischen Partei von Sahra Wagenknecht, sprachen tatsächlich eine andere Sprache. Auf die Frage, warum die Grünen zusammengebrochen sind, fanden Nouripour und Lang keine Antwort. Sie blieben blind für das, worüber sich die Menschen Sorgen machen: nämlich unkontrollierte Migration und die Deindustrialisierung Deutschlands. Für die Deutschen steht das Klima nicht mehr im Mittelpunkt. Dass die pazifistischen Grünen die Waffen gewechselt haben und die Ukraine im Krieg gegen Russland voll unterstützen, wird auch nicht überall begrüßt, schon gar nicht auf dem Terrain, auf dem sich AfD und BSW bewegen.

Wirtschaftskompetenz?

Robert Habeck, der grüne Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Annalena Baerbock, die grüne Außenministerin, die bei ihrem Eintritt in die Bundesregierung im Dezember 2021 durch Nouripour bzw. Lang als Co-Präsidenten ersetzt wurden, wünschen ein „Durchmarsch», ein „kraftvoller Neuanfang“ für die Partei. Darüber hinaus übersehen sie möglicherweise eine Platine, auf der sich sowohl in der Programmierung als auch in der Kommunikation ein Fehler nach dem anderen angesammelt hat. Habeck träumt davon, auf dem Parteitag Mitte November in Wiesbaden als Kanzlerkandidat seiner Partei nominiert zu werden. Am Montag führte er vertrauliche Gespräche mit den Co-Vorsitzenden der Partei.

Später bezeichnete Habeck die Rücktritte von Nouripour und Lang als „großen Dienst für die Partei“, als Beweis für „Verantwortungsbewusstsein“. In der Zwischenzeit schlägt er seine Vertraute Franziska Brantner, die seinem Ministerium zugeteilte Staatssekretärin, als potenzielle Co-Präsidentin vor. Er will die Kontrolle zurückgewinnen und als noch nicht ernannter Kanzlerkandidat den Trend für seine Partei umkehren. Es bleibt abzuwarten, ob es ihm gelingt, mehr Wähler zu gewinnen. Der Wirtschaftsminister zeichnet sich in puncto Wirtschaftskompetenz nicht wirklich aus.

Vorgezogene Wahlen

Und wie reagieren andere Parteien auf die Entlassung des Grünen-Vorstands? Für die SPD ist die Regierung einfach immer „Ich bin im Arbeitsmodusim Arbeitsmodus. Auch Christian Lindner, Finanzminister und Vorsitzender der FDP, weist darauf hin, dass zusätzliche Arbeiten durchgeführt werden müssen, denn „Die Erde hat keine Zeit zu verlieren‚. Für die christdemokratische Oppositionspartei CDU/CSU wirft die Krise der Grünen ihre Schatten auf die Regierung und es sollten vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Frühere SPD-Kanzler haben ihr – wenn auch zweites – Mandat stets vorzeitig beendet. Das Zeichen für Scholz?

Dirk Rochtus lehrt deutsche Geschichte und internationale Politik an der KU Leuven/Campus Antwerpen.

Adelbert Eichel

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