Zwei Wochen vor der Landtagswahl am Sonntag sind in Nordrhein-Westfalen plötzlich neue SPD-Wahlplakate aufgetaucht. Parteichef Thomas Kutschaty stand stolz neben dem lächelnden und selbstbewussten SPD-Kanzler Olaf Scholz. Die Partei setzte eindeutig auf den „Scholz-Effekt“, die überraschende Anziehungskraft des Mannes, der trotz vermeintlicher Schwäche der SDP im vergangenen Herbst die Bundestagswahl fast im Alleingang gewann.
Aber der Scholz-Effekt scheint erloschen zu sein. Die Partei erzielte am Sonntag in Nordrhein-Westfalen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Im Vergleich zur vorangegangenen Landtagswahl 2017 verlor die SPD vier Prozentpunkte und fiel auf 26,7 % der Stimmen. Das ist eine große Enttäuschung für die Partei, die den Staat bis 2005 ununterbrochen regierte und danach konstant gute Leistungen erbracht hat.
Deutsche Mini-Wahlen
Die Folge ist ein Schlag ins Gesicht für Scholz. Wahlen in Nordrhein-Westfalen gelten als eine Art „deutsche Mini-Wahl“ – fast zwanzig Prozent der Wahlberechtigten leben in Deutschland. „War der Sieg der SPD bei der Bundestagswahl 2021 ein Glücksfall, verursacht durch die vorübergehende Schwäche der Grünen und die Post-Merkel-Krise innerhalb der CDU?“ Tageszeitung sich fragen.
Deutsche Medienkommentatoren kennen die Erklärung für das schlechte Abschneiden der SPD. Der Krieg in der Ukraine beherrschte wochenlang die deutsche Politik und gerade bei diesem Thema machte Olaf Scholz von Anfang an einen zögerlichen Eindruck. Außerdem leidet er sehr unter der pro-russischen Tradition innerhalb seiner SPD: In den Medien wird die Partei als Club von Putins Freunden dargestellt. Der Abschied von dieser Tradition fällt Scholz sichtlich schwer.
Weißer Fuß für die Grünen
Einige Grünen-Politiker hingegen sind in jüngster Zeit zu Helden geworden, die sich sanft von ihrer eigenen pazifistischen Parteitradition entfernen. Wirtschaftsminister Robert Habeck ermöglichte ein blitzschnelles Ölembargo, Außenministerin Annalena Baerbock plädierte unter Berufung auf die Rechte des Mannes für Waffenlieferungen an die Ukraine.
Mit 18,2 Prozent holten die Grünen nicht weniger als dreimal so viele Stimmen wie 2017. Grünen-Chefin Mona Neubaur sagte, ihr hervorragendes Ergebnis sei Rückenwind aus Berlin zu verdanken. Berichten zufolge wagten die Wähler einen „Vertrauenssprung“, als es der regierenden Parteiführung gelang, dem Land in Krisenzeiten einen Kompass zu geben.
„Die CDU ist zurück“
Die CDU ist inzwischen wieder die stärkste Partei in Nordrhein-Westfalen, die Partei, die sich nach Merkels 16. Geburtstag im vergangenen Herbst in der Opposition befand. Die Christdemokraten schnitten mit 35,7 % der Stimmen sogar besser ab als 2017, als die Partei mit 33 % der Stimmen gewann. Der Konservative Friedrich Merz, der nach der Wahlniederlage von Armin Laschet (damaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen) den Parteivorsitz übernahm, sah die Gewinne aus eigener Kraft. „Die CDU ist zurück“, schrieb er auf Twitter. „Unser zukunftsweisender Kurs geht auf.“
Die Koalitionsbildung ist in Nordrhein-Westfalen inzwischen schwierig geworden. Nun regieren dort CDU und liberale FDP gemeinsam, doch durch den Wegfall der FDP ist eine Fortsetzung dieser Koalition nicht möglich. Möglich ist ein Bündnis aus CDU und Grünen oder eine Ampelkoalition in den Farben von SPD, Grünen und FDP, wie auf Bundesebene.
Königsmacher
Das Ende wird wie nach der Bundestagswahl von den Grünen abhängen. Sie sind wieder in einer dominanten Position Königsmacher und können entscheiden, mit wem sie den Thron teilen wollen. Bleiben sie ihrem Bundespartner SPD treu oder unterstützen sie die Rückkehr der CDU?
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