In Berlin laufen die politischen Diskussionen auf Hochtouren.
Es ist erstaunlich, wie schnell sich Politik und Wirtschaft verändern, noch ist nichts sicher. Meine vorherige Kolumne konzentrierte sich hauptsächlich auf große Investitionsprojekte, die dazu beitragen könnten, die deutsche Wirtschaft aus der Flaute zu befreien. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Pläne ausgesetzt. Mit ihrer Entscheidung setzten die Richter der aktuellen Haushaltspolitik der Bundesregierung ein Ende. Von nun an muss es jedes Jahr einen Haushalt erstellen und ihn der Regierung zur Prüfung vorlegen. Bundestag und dann um BundesratParlament mit Landesvertretern.
Der Haushalt für 2023 lag vor der Richterentscheidung bei 476 Milliarden Euro, ein Rekordwert. Es wird durch Steuereinnahmen und Darlehen unterstützt. Das Problem ergibt sich aus Letzterem. Nach 2009 und der Bankenkrise hat der Deutsche Bundestag einer Schuldenbremse zugestimmt. Es ist sogar in der Verfassung verankert. Es muss verhindert werden, dass die Schulden zu hoch werden und nicht mehr abgebaut werden können. Das Gesetz sieht vor, dass der Bund für seinen Haushalt maximal Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen kann.
Doch deutsche Politiker haben ein Schlupfloch gefunden. Bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notfällen kann das Gesetz vorübergehend aufgehoben werden. Dies geschah mit dem Coronavirus und dem Krieg in der Ukraine. Der Begriff „außergewöhnliche Notfälle“ lässt viel Interpretationsspielraum. Das Verfassungsgericht hat nun die Regierung abgeschaltet. Dadurch entsteht ein großes Problem. Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) muss eine Lücke von 17 Milliarden Euro geschlossen werden. Die Richter in Karlsruhe sprechen von 60 Milliarden Euro.
In Berlin laufen die politischen Diskussionen auf Hochtouren. Wie viel und wo wird gespart, damit die Grenze von 0,35 Prozent nicht überschritten wird? Bis Neujahr muss eine Einigung erzielt werden, andernfalls muss die Regierung sehr strenge Verfahren einhalten, die wenig Spielraum lassen. Das hat katastrophale Folgen für die Wirtschaft.
Gleichzeitig wird erneut über die Frage diskutiert, ob die Schuldenbremse nicht kontraproduktiv ist. Milliarden wurden für grüne Investitionen und eine umfassende Umgestaltung der Branche bereitgestellt. Investitionen in Chipfabriken, Subventionen für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen, Modernisierung der Bahninfrastruktur, Ladeinfrastruktur für Elektroautos: Heute wird im wahrsten Sinne des Wortes alles noch einmal abgewogen. Erschwerend kommt hinzu, dass die FDP von Steuererhöhungen nichts wissen will. Für die Dreierkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen war das Regieren ohnehin keine leichte Aufgabe. Oder wird es aufgrund einer neuen Definition des Notfalls eine Ausnahme von der Verfassung geben? Eine solche Änderung erfordert eine Dreiviertelmehrheit und das scheint unmöglich.
Patrick Vandenrhijn ist CEO des deutschen Elektronikmaschinenherstellers bdtronic
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