Das Fehlen von Situationen wie in Grafenhausen kann man als Wunder bezeichnen

Das Fehlen von Situationen wie in Grafenhausen kann man als Wunder bezeichnen

Kommentar

Für die streikenden Trucker in Grafenhausen gibt es noch keine Lösung. Seit Wochen biwakieren Autofahrer auf dem Parkplatz entlang der deutschen Autobahn und warten auf ihren Lohn. Erst diese Woche wurde bekannt, dass die Europäische Kommission die Niederlande vor Gericht bringt, um die Rechtsvorschriften über die Arbeitsbedingungen der hier eingestellten Fahrer durchzusetzen. Die Politiker in Den Haag haben damit keine Eile. Das ist schade, denn auch hier lauern Situationen wie in Grafenhausen.

Die Äpfel verrotten nicht viel mehr als die Transportunternehmen Lukmaz, Agmaz und Imperia, die streikenden Fahrern seit Monaten nicht den vollen Lohn zahlen. Der Fall erreichte letzte Woche einen surrealen Höhepunkt, als der Besitzer der drei Transporter wegen der Aktion ein Schlägerteam in einem gepanzerten Fahrzeug zum Campingplatz der Trucker schickte.

Die Affäre verschonte die deutsche und europäische Politik nicht. Der Bundestag fordert nun von der Regierung in Berlin bessere Regeln und mehr Durchsetzung gegen diese Form der Ausbeutung. Auch das Europaparlament solidarisierte sich mit den Grafenhausener Streikenden.

Gemäß den europäischen Vorschriften müssen aus einem anderen EU-Land entsandte Fahrer für die gleiche Arbeit mindestens die gleiche Vergütung erhalten wie ihre Kollegen in dem Mitgliedstaat, in dem die Arbeit ausgeführt wird. Dies gilt unter anderem für die Kabotage und den „Transport in Drittländer“, d. h. den Transport zwischen zwei Mitgliedstaaten oder zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland, das nicht das Wohnsitzland des Auftragnehmers ist, der diesen Transport durchführt. Diese Entsendepflicht soll Sozialdumping und Unterbezahlung ausländischer Trucker verhindern.

Zahlen des Justiz- und Sicherheitsministeriums zeigen, dass mehr als 300.000 Fahrer aus anderen Ländern in die Niederlande entsandt wurden, wobei polnische Transportunternehmen den größten Anteil ausmachen. Das ist eine enorme Zahl und umso überraschender, dass die Niederlande die europäischen Entsenderegeln, die fast alle anderen Mitgliedstaaten bereits seit langem umsetzen, noch nicht umgesetzt haben. Die Einführung habe so lange gedauert, weil die neuen Regeln sehr kompliziert seien, sagte Ministerin Karien van Gennip im vergangenen Jahr.

Diese Woche wurde deutlich, dass unser Land wegen dieser Verzögerung von der Europäischen Kommission verklagt wird. Brüssel ist zu Recht sehr besorgt darüber, dass aus dem Ausland entsandte Trucker in unserem Land mehr oder weniger verboten sind. Schließlich soll das neue Entsendegesetz endlich klären, wie mit entsandten Arbeitnehmern im Straßenverkehr umzugehen ist. Ohne die neuen Regeln bleibt es Auslegungssache und die Ausbeutung von Mitarbeitern lauert.

Der illegale Status ausländischer Fahrer zeigt sich auch in Zahlen, die diese Woche über die Road Transport Enforcement der ILT veröffentlicht wurden. Die Kontrolle ausländischer Lastwagen ist und bleibt in unserem Land so marginal, dass abzuwarten bleibt, ob Szenen wie in Grafenhausen ans Licht kommen würden. Nicht umsonst fühlen sich die Vertreter der Fahrer, die Gewerkschaften, daher verpflichtet, selbst auf die Lkw-Parkplätze zu gehen, um die Missstände anzuprangern. Damit rücken die Niederlande in Europa ins Rampenlicht. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Regierung dieses Problem ernst nimmt.

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Adelbert Eichel

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