Die neue Partei wurde Anfang Januar offiziell gegründet. Am vergangenen Samstag veranstaltete der BSW ihn im historischen DDR-Kino Kosmos in Berlin erster KongressDort entschieden die rund 400 Mitglieder, mit welchen Kandidaten und welchem Programm die Partei an der Europawahl im Juni teilnehmen würde.
Wagenknecht verließ Die Linke Ende letzten Jahres und nahm neun Bundestagsabgeordnete der Linken mit, was der neuen Partei zehn Sitze im Deutschen Bundestag verschaffte. Auch Parteichefin Amira Mohamed Ali wechselte ihr Amt und ist nun neben Wagenknecht Vorsitzende der neuen Partei. Nach diesem Blutvergießen musste sich die Fraktion Die Linke auflösen.
Wagenknecht machte in seiner Konferenzrede eine wichtige Aussage. Die aktuelle Regierung aus SPD, Grünen und FDP bezeichnete sie als „die dümmste Regierung Europas“. Mit ihren Klimamaßnahmen und Sanktionen gegen Russland machen die Koalitionsparteien den Bürgern das Leben unnötig schwer und stürzen das Land in eine Krise oder – im schlimmsten Fall – in einen Krieg, so der neue Parteichef.
Vor allem linke Politiker, sowohl seiner ehemaligen Partei als auch der Grünen, trifft es hart. Sie machen Richtlinien für ihre Universitäts- und Metropolenblase und vergessen dabei die einfachen Bürger und Arbeiter – Arbeiter, um es mit Wagenknechts Worten zu sagen. Sie lebe selbst in einem Dorf und spreche mit verärgerten Bauern und Kleinunternehmern, sagte sie. Es waren unter anderem diese Kritiken, die sie auch in ihrem Buch „Die Selbstrechter“ (2021) festhielt, die den Bruch mit ihrer ehemaligen Partei herbeiführten.
Keine Waffenlieferungen an die Ukraine
Auch ihre scharfe Kritik an der deutschen Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland sorgte innerhalb der Linken für heftige Kontroversen. Nach der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 organisierte sie einen großen Friedensprotest. Sie verurteilt Russland nicht und ignoriert die von Russland begangenen Verbrechen, betont aber, dass der Westen den Krieg hätte verhindern können. In einer Rede vor dem Bundestag im September 2022 kritisierte sie die Bundesregierung dafür, dass sie nach ihren eigenen Worten einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschlands größten Energieversorger begonnen habe. Das empörte viele seiner Parteifreunde.
Ihre Kritik wiederholte sie am Samstag auf dem BSW-Parteitag. Die neue Partei will Friedensverhandlungen und ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine. Wagenknecht will auch Gas und Öl aus Russland zurückgewinnen. Sie warnte, dass die CDU nicht weniger schlecht sei als die derzeitige Regierung. Denn auch diese Partei befürwortet eine Rüstungsunterstützung für die Ukraine. „Damit Selenskyj Moskau dann mit deutschen Raketen angreifen kann.“
Bessere Renten, weniger Marktkräfte im Gesundheitswesen
Wagenknecht sagt, er verstehe, dass viele Menschen in Deutschland derzeit gegen den Aufstieg der extremen Rechten und der AfD demonstrieren. Da auch innerhalb der AfD Rechtsextremisten und Neonazis aktiv seien, teile sie die Befürchtungen der Demonstranten, sagte sie. Laut Wagenknecht ist der Erfolg der AfD das Ergebnis einer schlechten Regierungspolitik. Jeder, der gegen Rechtsextreme demonstriert, müsse ihrer Meinung nach also auch politische Forderungen stellen, etwa bezahlbare Energie, einen höheren Mindestlohn, bessere Renten, weniger Marktkräfte im Gesundheitswesen, eine Preisobergrenze bei Mieten und ein Ende der Sanktionen gegen Russland – So viele Punkte, die „Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“ stark vertritt.
„Die Kombination aus linker Wirtschaftspolitik und konservativen gesellschaftlichen Positionen existiert in der deutschen politischen Landschaft noch nicht“
Im Wahlprogramm heißt es, der BSW wolle die Macht der EU begrenzen und gegebenenfalls EU-Regeln ignorieren. Die Partei will sich stärker auf nationaler oder lokaler Ebene organisieren. Der BSW will die Zuwanderung insbesondere dadurch reduzieren, dass Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben wird, ihr Verfahren an den EU-Außengrenzen oder außerhalb der EU zu absolvieren. Sie möchte außerdem, dass den Ursachen des Lecks mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Spitzenkandidaten bei der Europawahl werden der ehemalige Linken-Abgeordnete Fabio de Masi und der ehemalige Düsseldorfer SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel sein.
Im September finden in den östlichen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg Wahlen statt. Auch der BSW möchte sich beteiligen. Umfragen Schätzungen zufolge liegt die neue Partei dort zwischen 8 und 17 Prozent.
So der deutsche Politikwissenschaftler Sarah WagnerLaut einer Studie zu linksradikalen Parteien in Europa könnte die Partei besonders AfD-Wähler ansprechen. Aus seiner Forschung zu BSW zeigt, dass sich insbesondere ostdeutsche Wähler und Unzufriedene mit Demokratie und Einwanderung vorstellen können, Wagenknechts Partei zu wählen. Genau die Gruppen, in denen die AfD Erfolg hat. Die Kombination aus linker Wirtschaftspolitik und konservativen gesellschaftlichen Positionen gebe es in der deutschen Partisanenlandschaft noch nicht, stellt Wagner fest. Sozial fortschrittlicher sind linke Parteien wie die SPD, die Grünen und die Linke. Sie legen beispielsweise Wert auf Themen wie Diversität und Inklusion, Umweltschutz und Flüchtlingshilfe.
Profil Sahra Wagenknecht
Wagenknecht (1969) wurde in Jena geboren und wuchs in Ost-Berlin, in der kommunistischen DDR, auf. Kurz vor dem Ende der DDR, 1989, wurde sie in der SED aktiv. Nach der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland blieb diese Partei unter dem Namen PDS bestehen. Wagenknecht besuchte die Universität – was ihr in der DDR verwehrt blieb. Sie studierte Philosophie und Germanistik in Berlin und Jena und schrieb ihre Masterarbeit 1996 in Groningen.
Viele Linke-Mitglieder hatten Schwierigkeiten mit Wagenknechts teils populistischer Rhetorik und scharfen Positionen zur Einwanderung. Gleichzeitig war sie der Publikumsliebling
Von 2004 bis 2009 war Wagenknecht Mitglied des Europäischen Parlaments für die Linkspartei.PDS, wie sich die PDS heute nennt. Ab 2007 wurde die Linkspartei unter dem Namen Die Linke mit der westdeutschen separatistischen SPD-Partei WASG weitergeführt. Das Gesicht der WASG war der ehemalige SPD-Vorsitzende und ehemalige Minister Oskar Lafontaine, ein beliebtes SPD-Mitglied, das mit den Sozialreformen des SPD-Chefs und Bundeskanzlers Gerhard Schröder nicht einverstanden war. 2009 wurde Wagenknecht Mitglied des Bundestags. Als Finanzsprecherin der Linken ist sie während der Euro- und Schuldenkrise häufig mit ihrer Kritik am Kapitalismus in den Medien aufgetreten. Sie zeichnete sich durch ihr Auftreten und ihren pragmatischen und entschlossenen Stil aus. 2012 promovierte sie in Wirtschaftswissenschaften.
Im selben Jahr begann Wagenknecht mit Lafontaine zusammenzuleben, 2014 heirateten die beiden. 2015 wurde Wagenknecht Parteivorsitzender einer tief gespaltenen linken Fraktion. Der Partei gelang es nicht, die verschiedenen Blutgruppen der fusionierten Partei zusammenzuführen. Wagenknecht war der Kapitän des linken Flügels. Viele in der Partei hatten mit seiner manchmal populistischen Rhetorik und seiner harten Haltung zur Einwanderung zu kämpfen. Gleichzeitig war Wagenknecht einer der Publikumslieblinge.
Der Versuch, eine eigene Bewegung „Aufstehen“ zu gründen, scheiterte. Wagenknecht litt unter einem Burnout und schied 2019 aus der Führung der Linken aus. Obwohl sie nun eine „normale“ Bundestagsabgeordnete war, blieb sie einflussreich und sichtbar – und stand der Parteispitze zunehmend kritisch gegenüber. Seine pro-russische und einwanderungsfeindliche Haltung veranlasste einige Linke-Mitglieder, die Partei zu verlassen. Aber sie hatte auch Unterstützer. Die Spaltung der Division war irgendwann im Jahr 2023 unausweichlich.
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