Alles, was Ihrer Meinung nach nichts mit Weihnachten zu tun hat, hängt in Form einer Weihnachtskugel in Alice Ernests Weihnachtsgeschäft am Haarlemmerdijk. Teufel, Vogelspinnen, Papageien und Krokodile: Die Kollektion ist exotisch – okay, bis auf viele traditionelle und verschnörkelte Weihnachtskugeln. Aber noch spezieller ist Alices Geschichte dahinter: „Bis heute tanke ich, wenn ich jemanden in einen Zug setze.“
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Sie sind kleine Kunstwerke, diese Bälle. Mundgeblasen und bemalt von hauptsächlich tschechischen, polnischen und deutschen Handwerkern. Die meisten kosten um die 15 Euro pro Stück, einige 45 Euro. Alice: „Die Leute sind manchmal schockiert, wenn sie die Auszeichnungen sehen, aber man muss bedenken, dass an einem Ball sechs Kreative beteiligt sind. Das ist Handwerk.“
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Symbolisches Weihnachten
Alice sieht aus wie Weihnachten, als sie die Tür zu Water Affair öffnet. In einem Paillettenkleid zeigt sie ihr altes Klempnergeschäft, in dem sie unter dem Namen seit 13 Jahren auch Weihnachtskugeln verkauft Die Christmas Vintage Company. „Vögel werden durch sie verrückt; die Taube ist im Handumdrehen verkauft. Aber für mich ist der Schornsteinfeger etwas ganz Besonderes. In der Tschechischen Republik glauben wir, dass das Berühren des Knopfes am Mantel eines Schornsteinfegers Glück bringt. Deshalb hängen wir gerne einen gläsernen Schornsteinfeger in den Baum.
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Zum Beispiel symbolisiert fast jede Weihnachtskugel in Alices Laden etwas. Glück, Geld, Gesundheit: Davon möchten wir viel im Leben haben. Alice: „Aber für mich hat Weihnachten selbst den höchsten symbolischen Wert. Es war die einzige Zeit im Jahr, in der ich meine Großeltern aus dem kommunistischen Prag sehen konnte.
Eine zerrissene Familie
Alice war zwei Jahre alt, als ihr Vater und ihre Mutter die schwierige Entscheidung trafen, in die Niederlande zu fliehen. Beide waren entschiedene Gegner des kommunistischen Regimes und Alices Vater arbeitete als Radioproduzent in Prag – eine gefährliche Kombination in der damaligen Tschechoslowakei. Alice: „Sie kannten Leute in den Niederlanden und es gelang ihnen, drei Urlaubsvisa zu beantragen. Damit sind wir gerade noch rechtzeitig in die Niederlande aufgebrochen. Wenige Tage später marschierten russische Truppen in Prag ein. Mit Panzern. Und unter anderem war Radio Prag ein Ziel.
Ich war zehn Jahre alt, als ich meine Großmutter zum ersten Mal sah.
Es war das Jahr 1968, als die junge Familie Ernest nach Amsterdam zog, weit weg von ihrer Familie in Prag. Es gab noch keine Wiedervereinigungen. Als Alices Eltern in die Tschechoslowakei zurückkehren, droht ihnen eine schwere Strafe: Sie haben laut Staat ein „Kind der Sowjetunion“, ihre Tochter, „entführt“.
„Ich war zehn Jahre alt, als ich meine Großmutter zum ersten Mal an der Seite meines Vaters sah“, sagt Alice. Seine Augen sind auf das Schaufenster fixiert, scheinen aber eine andere Welt zu sehen. „Seit Mitte der 1970er Jahre dürfen meine Großmütter jeden Dezember nach Düsseldorf reisen. Meine beiden Großväter waren damals verstorben. Meine Eltern und ich holten meine Omas mit dem Auto vom Bahnhof ab. Wir haben einen ganzen Ausflug daraus gemacht; gemeinsam die deutsche Stadt durchquert und Weihnachtseinkäufe getätigt. Ich hatte das Recht, mir jedes Jahr eine wunderschöne mundgeblasene Weihnachtskugel auszusuchen. Mein Favorit war eine lächelnde Sonne.
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Es ist Zeit zu gehen
Bis heute tanke ich auf, wenn ich jemanden in den Zug setze, auch wenn ich ihn bald wiedersehe.
„Weihnachten haben wir nach tschechischer Tradition am Heiligen Abend gefeiert. Ein paar Tage zuvor war das Esszimmer verschlossen, damit meine Eltern und Großeltern es heimlich dekorieren konnten. Tschechischen Kindern wird erzählt, dass Engel den Weihnachtsbaum schmücken und dass das Jesuskind Geschenke darauf legt. Ich habe es geglaubt! Erst als es klingelte, durfte ich wieder hinein. Dann öffnete sich die Tür und… Ich ging in ein magisch Welt zu Recht. Ich sah Lichter, Geschenke, schöne Bälle, meine Eltern. Und meine Großmütter.
Der Kontrast zwischen diesem heißen Bad und dem Moment der Abreise könnte nicht größer sein. Alice verstummt bei diesem Gedanken. Tränen laufen ihr über die Wangen. „Bis heute tanke ich auf, wenn ich jemanden in den Zug setze, auch wenn ich ihn bald wiedersehe. Der Abschied vom Zug in Düsseldorf hinterließ bei mir ein echtes Trauma. Ich wusste nie, ob ich sie wiedersehen würde.“
Ich traf Eltern, die ich sehr gut kannte, aber nie getroffen hatte.
Zwischen den Weihnachtsfeiertagen wurde die Familie von mehreren Ländergrenzen zerrissen. Das ging viele Jahre so, bis die Kommunisten kurz nach dem Fall der Mauer 1989 von den Tschechen abgesetzt wurden. Alice: „Ich war achtzehn, als ich zum ersten Mal in mein Heimatland kam. Durch all die Geschichten wusste ich genau, wie ich mich in Prag zurechtfinden würde, obwohl ich als Erwachsener noch nie dort gewesen war. Und ich sah Eltern, die ich sehr gut kannte, aber nie getroffen hatte.
Geschichte wiederholt
Die gläserne Sonne ziert noch heute Alices Weihnachtsbaum, ebenso wie die anderen Weihnachtskugeln, die sie sich als Kind in Düsseldorf aussuchen durfte. Die Aufregung, die sie bei Tagesausflügen nach Deutschland empfand, spiegelt sich nun ein wenig in ein paar Nachbarskindern in ihrem Laden wider. Auch ihre Eltern erlauben ihnen jedes Jahr, sich eine solche besondere, mundgeblasene Weihnachtskugel auszusuchen.
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