Spalte | China investiert in die Häfen Hamburg, Zeebrügge und Rotterdam. Was tut Europa?

Am Vorabend ihres Besuchs in Peking die deutsche Bundeskanzlerin Scholz unter Beschuss aufgrund einer chinesischen Investition im Hamburger Seehafen. Plötzlich hielt die halbe Welt das für eine schlechte Idee.

In Hamburg wollte die chinesische Aktiengesellschaft Cosco, ein Weltkonzern im Bereich Containertransport und Hafenterminals, eine 35-prozentige Beteiligung an einem Terminal erwerben. Mehrere Ministerien rieten davon ab, aber die Kanzlerin setzte sich durch und gab grünes Licht für einen Anteil von 24,9 Prozent.

Das Zögern war denkbar. Deutschland will mit China nicht den Fehler wiederholen, den es mit Russland und seiner Gasabhängigkeit gemacht hat. Kritiker im In- und Ausland werfen der Kanzlerin vor, diese Lektion nicht gelernt zu haben. Auch das Timing war schlecht, kurz nachdem Xi als autoritärer Führer der Kommunistischen Partei Chinas wiederernannt worden war. Mit seiner Hafenbegabung sah Scholz aus wie ein ehemaliger Hamburger Bürgermeister, sprich: ein Provinzpolitiker.

Das ist jedoch noch nicht alles. Deutschland ist ein Land, in dem die Stimmung kippen kann – siehe den abrupten Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe 2011 oder die Zickzackbewegungen der Flüchtlingskrise (2015-16). So etwas scheint heute in Bezug auf China zu passieren: von einem Extrem ins andere. Während die Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik lange als „win-win“ (Merkel) angepriesen wurden, hört man jetzt vor allem von Schattenseiten und Risiken. Im Hintergrund nimmt der Druck der USA auf Europa rapide zu, die Wirtschaftsbeziehungen zu China abzubrechen – Druck spüren die Niederlande vom Chipmaschinenhersteller ASML.

Es ist klar, dass die europäischen Länder weniger naiv werden und ihre Sicherheit und Entscheidungsfreiheit besser schützen müssen. Aber dieses vitale Interesse muss gegen andere Interessen abgewogen werden, etwa gegen den Erhalt von Arbeitsplätzen, auch durch Handel, oder die Sinnhaftigkeit einer Diskussion mit Peking über das Klima und die nukleare Bedrohung durch Russland. Alles in allem keine Schwarz-Weiß-Geschichte, Scholz musste für sein Land argumentieren.

Für Seehäfen muss die Politik eine Strategie entwickeln, die alle Interessen berücksichtigt. Es beginnt mit einer Risikoanalyse. Laut einem chinesischen Experten und Hafenforscher Frans-Paul van der Putten, den ich deswegen angerufen habe, hält Coscos Investition in Hamburg nicht für „viel an sich“. Dabei handelt es sich um eine Minderheitsbeteiligung an einem der vier Terminals. Auf dieser Grundlage kann China keinen politischen Druck auf Berlin ausüben: Dafür ist Deutschland zu groß und die Wirtschaftsbeziehungen zu vielfältig. Die Bundesrepublik ist auch nicht auf einen einzigen Hafen für Im- und Export angewiesen. Van der Putten: „Rotterdam, Zeebrugge und sogar Genua in Italien sind sozusagen ‚deutsche‘ Häfen.“

Anders in Piräus, der Athener Hafenstadt, die als bestes Beispiel für Europas strategische Fehleinschätzung gilt. Nach bedeutenden chinesischen Investitionen ab 2008 gehören Cosco zwei Drittel der Hafengesellschaft selbst sowie eines der drei Terminals. Vergleiche Rotterdam: Obwohl Cosco an einem der vier Terminals (wie in Hamburg geplant) mit 35 % beteiligt ist, ist die Hafengesellschaft sicher in staatlicher Hand. In Zeebrügge schließlich, das kürzlich mit Rotterdams Rivalen Antwerpen fusionierte, hält Cosco eine Mehrheitsbeteiligung an dem einzigen Terminal.

Auch das relative Gewicht der Ports spielt eine Rolle. Wenn China politischen Druck auf Berlin ausüben will, dann nicht über Hamburg, sondern über die deutsche Automobilindustrie; es ist der wirtschaftliche Nerv des Landes. Aber für die Niederlande ist der Rotterdamer Hafen ein entscheidender Wohlstandsmotor. In Sachen Häfen und Schifffahrt muss Den Haag daher noch vorsichtiger sein als Berlin.

Gleichzeitig zeigt es, dass wir auf europäischer Ebene schauen müssen. Wenn China in alle großen Seehäfen investiert, kann es Deutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich (Le Havre) gegeneinander ausspielen. Sie würden sich daher neben dem bestehenden europäischen Investitionstest für kritische Infrastrukturen auch präzisere europäische Wettbewerbsregeln wünschen, die auch die politische Machtkonzentration bei Übernahmen berücksichtigen. So leuchtet beispielsweise ein gelbes Licht auf, wenn sich herausstellt, dass einzelne private und/oder öffentliche Investoren alle aus China stammen. Diese Empfehlung wird kürzlich von einer Veröffentlichung ausgesprochen Beratung von Clingendael und der Erasmus-Universität an zwei niederländische Ministerien über den Einfluss Chinas auf die Position des Rotterdamer Hafens, dessen Mitautor Van der Putten ist.

Eine weitere wichtige Beobachtung aus diesem Bericht ist, dass die Regierungen damit rechnen sollten, dass sie mit weiteren Dilemmata im Zusammenhang mit China konfrontiert sein werden, wenn Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen aufeinanderprallen und „ein Ad-hoc-Ansatz nicht ausreicht“. Diesen Rat könnten sich nach der Hamburg-Saga auch Scholz und die Bundesregierung zu Herzen nehmen.

Lukas von Middelaar ist politischer Philosoph und Historiker.

Adelbert Eichel

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