PostNL mit Schwerwetter-Pakettransport
Analyse
Ein vorläufiger Betriebsverlust von 20 Millionen Euro für das dritte Quartal, drei Gewinnwarnungen in Folge, ein neuer Konkurrent (DHL) im Postsektor in den Niederlanden und ein daraus resultierender Preisverfall. Für PostNL-CEO Herna Verhagen wird das Geschäftsjahr 2022 langsam zum Albtraum. Aktionäre können sich langsam fragen, ob sie PostNL nicht besser 2016 für 2,5 Milliarden Euro (5,65 Euro pro Aktie) an den belgischen Konkurrenten Bpost hätten verkaufen sollen.
John Versleijen
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Damals gelang es Verhagen, die Belgier fernzuhalten, unter anderem mit dem Versprechen, den Marktwert von PostNL eigenständig auf 6,50 Euro anheben zu können. Fast sechs Jahre später wissen es die Aktionäre besser. Anfang der Woche schwankte der PostNL-Aktienkurs an der Amsterdamer Börse um 1,58 Euro, was einem Marktwert von 800 Millionen Euro entspricht. Das ist weniger als ein Drittel des Betrags, für den Bpost den niederländischen Industriepartner 2016 übernehmen wollte. Zum Vergleich: Die Aktie des deutlich kleineren belgischen Post- und Paketunternehmens wurde diese Woche an der Brüsseler Börse für 5,50 Euro gehandelt, die ist gut für einen Marktwert von 1,12 Milliarden Euro.
Position Verhagen
Verhagen, der seit 2012 an der Spitze von PostNL steht, hat dem Finanzmarkt etwas zu erklären und kann es zunehmend nicht mehr. Anfang dieses Monats wurde sie vom Aufsichtsrat von PostNL für eine dritte vierjährige Amtszeit als CEO nominiert, aber die Frage ist nun, ob diese Nominierung angesichts der jüngsten Katastrophe um das Post- und Paketunternehmen noch auf ausreichende Unterstützung zählen kann.
Auch das Krisenmanagement von Verhagen, die Kürzung von Leistungen im Bereich Professional Mail and Parcels (Bündelung von Sammelrouten) und Preiserhöhungen haben nach dem Geschmack vieler Analysten erst sehr spät begonnen. Dies verstärkt den Eindruck, dass die Spitze nicht am Puls von PostNL ist. Zudem sind die höheren Tarife nicht für Großkunden geeignet und es ist auch nicht verwunderlich, dass die Deutsche Post DHL kürzlich angekündigt hat, im nächsten Jahr in den Niederlanden im Postverkehr über 50 Gramm aktiv zu werden. Das Postmonopol von PostNL, Briefe unter 20 Gramm, können die Deutschen nicht übernehmen, aber der Einzug der Deutschen wird sicherlich im schwereren Briefsegment zu spüren sein, wo PostNL bereits mit einem Aufkommen an Drop-Mail zu kämpfen hat.
Verbrauchervertrauen
DP DHL war zuvor mit dem Billiganbieter Selektmail auf dem niederländischen Geschäftspostmarkt aktiv, verkaufte die Tochtergesellschaft jedoch 2011 an Sandd. Diese wurde später von PostNL übernommen. Das damalige Wirtschaftsministerium genehmigte diesen Erwerb trotz der Einwände der Kartellbehörde ACM.
Die jüngste Gewinnwarnung von PostNL kommt auch zu einem Zeitpunkt, an dem DP DHL seine Gewinnprognose aufgrund eines wachsenden Frachtangebots aus dem E-Commerce nach oben korrigiert hat. Während PostNL das geringe Verbrauchervertrauen in den Niederlanden auf stagnierende Paketmengen zurückführt, scheint der deutsche Rivale davon deutlich weniger betroffen zu sein. Auf Basis des gestiegenen Paketvolumens erwartet DP DHL im dritten Quartal ein operatives Ergebnis (EBIT) von 2 Milliarden Euro, 200 Millionen Euro mehr als im Vorjahreszeitraum. Rund 1 Milliarde Euro entfielen auf die Kurieraktivitäten. Damit erhöhte DP DHL seine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr um 5 % auf 8 Milliarden Euro.
Verlustpakete
PostNL kann dies nur mit einem negativen EBIT von zwanzig Millionen Euro erreichen und hat alle bisherigen Gewinnschätzungen für dieses Jahr zurückgezogen. Zudem ging auch der Umsatz zurück. Analysten sind jedoch hauptsächlich besorgt über die enttäuschenden Zahlen des Pakets. Sie hätten steigen sollen, aber der Umsatz der Sparte stagnierte im dritten Quartal (506 Millionen Euro) und es entstand ein Betriebsverlust von 1 Million Euro gegenüber einem Gewinn von 27 Millionen Euro im Vorjahr. Die Geschichte des Managements, der Pakettransport sei der Profitmotor im Niedergang des Postverkehrs, ist damit nicht mehr zutreffend.
Daher war es für das Panalpina-Management schmerzlich einzugestehen, dass „die erwartete Rückkehr zum Wachstum bei Verpackungen im dritten Quartal nicht eingetreten ist“. Laut Top wird für das vierte Quartal dieses Jahres kein Volumenwachstum erwartet. Letzteres erklärt auch den starken Kursrückgang an der Amsterdamer Börse von PostNL in den letzten Tagen. Die Börse scheint das Vertrauen in den Vorstand langsam verloren zu haben. Vielleicht wird dieser Preis in naher Zukunft noch weiter sinken, sodass Schnäppchenjäger bald in der PostNL-Zentrale in Den Haag auftauchen werden. Es bleibt also abzuwarten, ob es so abrupt gefeuert wird wie Bpost vor sechs Jahren.
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