Die Folgen des Dopings in der DDR sind noch immer spürbar

Im Alter von 21 Jahren gewann Heidi Krieger 1986 bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Stuttgart Gold im Kugelstoßen. Der Ball fliegt 21,10 Meter. Hinter ihrem Rücken nennen die Medien sie „Hormon-Heidi“. Dieser Spitzname war gut gewählt. Nach der Wende begann die Flut von Geständnissen und Enthüllungen über Dopingverstöße unter ostdeutschen Spitzensportlern. Damit bestätigten sich gängige Vermutungen über Dopingpraktiken in der DDR: Trainer und Ärzte verabreichten Sportlern, die oft nichts wussten, verbotene Substanzen zur Leistungssteigerung.

Auch Krieger ist ein Opfer des staatlichen Dopingsystems. Es stellte sich heraus, dass es sich bei den blauen Pillen, die sie einnahm, nicht um Vitamine handelte, sondern um das Medikament Oral Turinabol, ein anaboles Steroid. Aufgrund des jahrelangen Steroidkonsums begann sein Körper männliche Merkmale zu zeigen. Außerdem leidet sie unter Verletzungen an Rücken, Knien und Hüften. Nach Jahren der Depression, Unsicherheit und Selbstmordgedanken unterzog sie sich 1997 einer Geschlechtsumwandlungsoperation. Heidi geht nun als Andreas durchs Leben.

Baufällig

Die kleine DDR war eine sportliche Supermacht. Zwischen 1972 und 1988 gewann die DDR mit ihren 17 Millionen Einwohnern 384 olympische Medaillen. Viele ostdeutsche Sportler, Erwachsene und Minderjährige, erfuhren Jahre später, dass sie schon seit langem gefährlichen Erfahrungen ausgesetzt waren. Die Regierung unterstützte das groß angelegte Dopingprogramm und der DDR-Geheimdienst Stasi fungierte als Aufpasser.

Unter den mehr als zehntausend Sportlern, die mit Doping in Berührung gekommen sind, ist bei vielen von ihnen inzwischen ein körperlicher Verfall eingetreten. Sie leiden unter Leberversagen, Nierenproblemen und abgenutzten Knochen und Gelenken. Depressionen und Selbstmordtendenzen kommen ebenso häufig vor wie Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit.

Als Wachhund fungierte der DDR-Geheimdienst Stasi.

Es gibt jetzt eine neue Generation von Opfern. Einige Sportler haben Kinder mit Missbildungen zur Welt gebracht. Andere Kinder leiden unter Allergien, übermäßigem Haarwuchs, Stoffwechselerkrankungen oder psychischen Problemen.

Dehnen oder Kratzen

Zur Unterbringung der Opfer richtete die Bundesregierung eine Hilfsfonds von zwei Millionen Euro. Insgesamt erhielten rund 194 Sportler eine finanzielle Unterstützung in Höhe von rund 10,5 Tausend Euro pro Person. Der Fonds wurde Ende 2007 geschlossen.

Da die Folgen des Dopings für einige Sportler erst später bekannt wurden, richtete die Regierung 2016 erneut einen Fonds für andere ein Opfer des Dopings könnte Anspruch auf Schadensersatz haben. Die Frist für die Beantragung eines Beitrags zum Fonds wurde auf Ende dieses Jahres festgelegt. Der Opferverband, der Opfer Hilfeverein gegen Doping (DOH) hat die Verlängerung dieser Frist erfolgreich verteidigt: Der Bundestag hat die Antragsfrist nun bis Ende Dezember 2019 verlängert.

Das DOH würde diesen Zeitraum lieber noch weiter verlängern oder ihn sogar streichen. Die Folgen für die zweite Generation werden erst jetzt deutlich. Auch Die Politiker Letztes Jahr forderten sie eine bessere Hilfe für Opfer der zweiten Generation. So können Kinder beispielsweise nur noch dann von der Kasse entschädigt werden, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft Medikamente eingenommen hat. Hat die Mutter vor der Schwangerschaft Stimulanzien erhalten, haben die Kinder keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Die Präsidentin des DOH, Ines Geipel, fordert daher ein drittes Doping-Opfer-Hilfegesetz für Sportlerkinder.

„Opfer kämpfen verzweifelt darum, ihre Unterlagen zurückzubekommen“

Geipel war einst erfolgreiche Sprinterin beim SC Motor Club Jena und stellte 1984 mit ihrer Staffel einen Weltrekord über 4 x 100 Meter auf. Diese Leistung ist nicht nur das Ergebnis von Talent und intensivem Training. Aus ihrer Akte beim Stasi-Geheimdienst ging später hervor, dass ihr Turinabol oral verabreicht worden war. Geipel berät und unterstützt ehemalige Spitzensportler bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche. Bisher wurden dem Gesundheitsministerium etwa 1.700 Opfer und dreihundert Kinder gemeldet.

Überreste der Stasi

Wer aus dem Fonds Nutzen ziehen will, muss nachweisen, dass mehr als 50 Prozent seiner gesundheitlichen Probleme auf Doping in der DDR zurückzuführen sind. So einfach ist es meist nicht: Sportler erhalten oft nicht die richtigen Unterlagen und Berichte.

Einige dieser Beweise befinden sich wahrscheinlich auch in den Stasi-Archiven. Doch Stasi-Mitarbeiter vernichteten 1989 Tausende Akten, die seitdem auf ihre Rekonstruktion warten. Die manuelle Rekonstruktion der Dateien macht keine großen Fortschritte und das Projekt, die Rekonstruktion mit dem Computerprogramm e-Puzzler zu digitalisieren, wurde gestoppt, da das Ergebnis enttäuschend war. Das sind schlechte Nachrichten für Dopingopfer.

„Die Opfer kämpfen verzweifelt darum, ihre Akten zurückzubekommen. Es geht um Beweise und Klarheit“, sagte Geipel Anfang des Jahres. Deutschlandfunk. Ihrer Meinung nach sollte das Scheitern der Technologie oder des Geldes kein Argument dafür sein, den digitalen Wiederaufbau zu stoppen.

Adelhard Simon

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