„Schade, dass Max nicht mehr die Nummer eins ist“, sagt der Mann am Infostand der Alternative für Deutschland. Ein leicht irritierter Lothar Waehler antwortet ihm. „Natürlich bleibt er der Europa-Fraktionsvorsitzende unserer Partei, aber er kommt einfach nicht zu dem Treffen. Aber man kann ihn durchaus wählen“, sagt Waehler, seit 2021 AfD-Abgeordneter im Landtag Sachsen-Anhalt. Er hat den Anhänger seines Autos in eine kleine Bühne verwandelt. Sobald die Plane seines Wohnwagens aufgerollt ist, sieht man den Slogan: „Mutig Deutschland», trotzt Deutschland.
Noch immer ist Maximilian Krah auf dem Plakat der rechtsextremen Parteiseite zu sehen, doch auf dem Altmarkt in der Kleinstadt Zeitz fehlt von ihm jede Spur. Da bekannt wurde, dass er einen chinesischen Spion beschäftigte, häufig chinesische Interessen verteidigte und kürzlich behauptete, dass nicht alle SS-Angehörigen Kriminelle seien, hält es die Partei für das Beste, wenn Krah unter dem Radar bleibt – obwohl er weiterhin Anführer der Regierung bleiben darf Party. gleichzeitig.
Ein Fan am Informationsstand ist darüber nicht allzu erfreut. „Ein schwieriger Fall“, sagte er kopfschüttelnd. Er möchte anonym bleiben, da es für ihn unangemessen ist, sich zu dem Debakel zu äußern. „Ich war so wütend, dass Max‘ Aussagen und die Entscheidung, ihn aus dem Wahlkampf auszuschließen, unserer Partei nicht nützen.“
Max, so wird Krah hier genannt. Unser Max. Als es innerhalb der Partei zu Unruhen wegen der durch Krah verursachten Probleme kam, erhielt er Unterstützung aus Sachsen-Anhalt. Diese AfD-Mitglieder stellen eine wichtige Gruppe innerhalb der Bundespartei dar: In ihrem Bundesland stellen sie fast ein Viertel der Parlamentarier und erreichen laut Umfragen mittlerweile 29 Prozent der Stimmen.
Toilettenpapier oder Geld
Während Waehler seinen Stand weiter aufbaut, dirigiert er mich auf die Terrasse einer Eisdiele, wo ich mit der Führung der AfD Sachsen-Anhalt darüber sprechen kann. Es ist klar, dass alle traurig sind, dass Krah nicht mehr auftreten darf, aber nichts dergleichen wird gesagt. Präsident Martin Reichardt ist vorsichtig mit Worten. „Max hat sich im Einvernehmen mit der Parteiführung aus dem Wahlkampf zurückgezogen. Jeder wusste, dass es die beste Lösung war.
Natürlich ist auch von Petr Bystron die Rede, Nummer zwei auf der Liste, der verdächtigt wird, Geld aus Russland erhalten zu haben. Die Leute lachen, wenn jemand sagt, der einzige Beweis dafür sei das Geräusch von Geldknirschen. „Das Toilettenpapier knistert auch.“ Die anderen nicken zustimmend. „Verdächtigungen und Vorwürfe, mehr nicht“, sagt AfD-Chef Oliver Kirchner zu den Vorwürfen. „Die Partei unterstützt weiterhin ihre führenden Persönlichkeiten und für uns gilt die Unschuldsvermutung.“
Nein, Sachsen-Anhalt glaubt diesen Geschichten nicht. Und die engen Bindungen bis mit Russland? Das stört die AfD-Abgeordneten in Zeitz nicht wirklich. „Zu Zeiten der DDR wollten wir nichts von den Russen. Heute respektieren wir Russland, weil es wie versprochen seine Truppen aus unserem Land abgezogen hat. Das kann man von den Amerikanern nicht behaupten.“
Die Parteiführung versteht nicht, warum um das geleakte Treffen im Januar in Potsdam so viel Lärm gemacht wird. Einige AfD-Mitglieder erwägen eine Wiedereinwanderung. Von Ausweisung oder Abschiebung habe es nie eine Rede gegeben, sagt Kirchner. Er spricht über die bekannte Verteidigungslinie der AfD: „Ein Recherchekollektiv mit SPD-Mitgliedern, versteckte Kameras im Gebäude: Das klingt nach DDR-Zeiten.“ » Das Gespräch dreht sich um Giorgia Meloni, die rechtsradikale italienische Ministerpräsidentin, die AfD-Mitglieder enttäuscht hat. Kirchner spricht über ihre italienischen Freunde, die sie nicht mehr wählen werden. „Sie hat ihr Wort gebrochen, weil sie keine strenge Anti-Einwanderungspolitik verfolgt. »
„Rechtsextrem garantiert“
Zu Beginn des Treffens stehen etwa einhundertfünfzig Interessierte vor der Bühne. Deutsche Flaggen und ein Banner mit „Hüte dich für Sturm and Wind, und Ossi dies in Rage sind» (Vorsicht vor dem Sturm, dem Wind und den wahnsinnigen Ostdeutschen). Auf den nackten Waden mancher Zuschauer – die zum Zeitpunkt des Mauerfalls noch Windeln trugen – lässt sich ihre Liebe zur DDR in Tätowierungen ablesen. Weiter unten warten ihre mit Deutschlandfahnen geschmückten Autos und Anhänger, mit denen sie bald im Konvoi die Stadt durchqueren werden.
Zeitz hat bessere Tage gesehen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden viele Fabriken geschlossen, Arbeitsplätze gingen verloren und ein Drittel der Einwohner zog weg. Das Kohlebergwerk, das war schon immer eine Gewissheit, wird irgendwann schließen müssen, weil Berlin keine Kohle mehr will. Es gibt nicht viele gut gemeinte Versuche, neue, junge, gut ausgebildete Menschen in die Stadt zu locken. Unter den wenigen Geschäften, die preiswerte Damenmode in großen Größen anbieten, stehen viele Gebäude leer. Am Stadtrand von Zeitz zeugen einige heruntergekommene Fabriken und die Reste einst schicker Villen davon, dass es früher besser war.
Die 27.000-Einwohner-Kleinstadt an der Grenze zu Thüringen wird manchmal als Hochburg der AfD in Sachsen-Anhalt bezeichnet. Lothar Waehler erhielt bei der Wahl 2021 die meisten Stimmen. Der Staatsschutz bezeichnet den AfD-Ableger in Sachsen-Anhalt als „garantiert rechtsextrem“.
Waehler übernimmt die Führung auf der Bühne. Es dauert nicht lange, bis Krahs Name erwähnt wird. „Wir haben uns so auf seine Ankunft gefreut. Aber was genau hat er über die SS gesagt? Niemand weiß. Seine Kommentare wurden aus dem Zusammenhang gerissen. Er wurde von einem gerissenen Journalisten reingelegt und wir müssen ihn in diesen schwierigen Zeiten unterstützen. Die Vorstellung, dass Krah seine gesamte Partei in eine schwierige Lage gebracht hat, ist auf dem Altmarkt tabu. Marine Le Pen von der französischen Nationalversammlung will die AfD nicht länger in der großen rechtsextremen Fraktion im Europaparlament haben. Doch das scheint die AfD-Mitglieder in Zeitz nicht zu stören. „Wir lassen uns nicht von einer Französin belehren, oder? Sie hat keinen Grund, sich in unsere internen Abläufe einzumischen.
Niemand wagt vorherzusagen, wie die AfD bei der Europawahl abschneiden wird. Der Aufwärtstrend in den Umfragen, von dem viele Parteimitglieder geträumt hatten, ist gebrochen. Lag der AfD-Anteil im Januar noch bei 23 Prozent, liegt er nun noch bei 16 bis 17 Prozent. Das ist der niedrigste Wert in diesem Jahr, aber immer noch besser als die 10,6 Prozent bei den nationalen Wahlen 2021. Der Rückgang begann nach Skandalen und zahlreichen Protesten gegen die extreme Rechte. Die Party endete in einer tabuisierten Atmosphäre. Forscher stellten fest, dass die AfD bei einigen jungen Erstwählern an Attraktivität verloren hat.
„Berlin ist gegen dich“
In Zeitz ließen die Redner auf der Bühne ihre Dämonen los. Keine vorsichtigen Aussagen mehr während des Interviews, sie werden nun einem Publikum präsentiert, das für sie stimmen kann. „Ich musste Sie im Namen von Björn Höcke begrüßen, ich habe gestern mit ihm gesprochen“, beginnt Kirchner seine Rede. Höcke, auch vom Staatsschutz als „rechtsextrem garantiert“ bezeichnet, ist das Gesicht des extremsten Flügels der Partei. Das Publikum strahlt.
Migration, Kriminalität und Kritik an Entwicklungszusammenarbeit und der Grünen Revolution gehören zum klassischen Repertoire, reichhaltig gewürzt bei dieser Begegnung mit Lügen, Vorwürfen und Verschwörungstheorien. „Sie sind gegen Sie“, ruft ein Redner, nachdem er aufgezählt hat, wie Berlin die Menschen in Ostdeutschland im Stich lässt. „Sie sind gegen dich.“ Dreimal hämmert er den Slogan. Die Skepsis gegenüber der Berliner Politik wird immer wieder genährt. Vor allem die Grünen, die alles vertreten, was die sächsischen AfD-Abgeordneten verabscheuen, stehen an der Spitze der Jut. Ihnen wird vorgeworfen, einen Krieg mit Russland anzuzetteln. „Lasst uns ukrainische Flaggen auf den Straßen verbieten, wir wollen gute Beziehungen zu Moskau“, ruft ein lokaler AfD-Funktionär. Vom Platz aus nicken einige Zuhörer neben ihren Friedensfahnen zustimmend. Eine von ihnen, Frau Neumann, hatte bereits erklärt, dass die Russen nur der Bevölkerung im Donbass helfen wollten. „Wenn Russland die Ukraine wirklich übernehmen wollte, wäre das schon vor langer Zeit passiert“, sagte sie. Für sie ist „Frieden mit Russland“ das entscheidende Thema in der Wahlkabine. Nur weiß sie noch nicht: Wird es die AfD sein, die ganz Rechte, oder Bündnis Sahra Wagenknecht, eine linke Dissidentin?
Dissidentenpolitik Deutschland ist besorgt darüber, dass die extreme Rechte im Osten des Landes die Oberhand gewinnt. Bei der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag im ostdeutschen Nachbarland Thüringen landete die AfD knapp hinter der Siegerin, der CDU. In der Kleinstadt Hildburghausen erhielt Tommy Frenck 30 Prozent. Er ist ein berüchtigter Neonazi.
PS Maximilian Krah wurde am Mittwoch in Dresden gesichtet. Er hat dort allein Wahlkampf gemacht.
„Preisgekrönter Organisator. Social-Media-Enthusiast. TV-Fan. Amateur-Internet-Evangelist. Kaffee-Fan.“