An einem regnerischen Abend nahm Arjen Lubach eine Videobotschaft für die Eröffnung einer Ausstellung bei AVL Mundo in Rotterdam auf. Oder nicht? Lubach sah etwas seltsam aus. Und er hat auch darüber gesprochen, so dass es seltsam erscheinen könnte. Vielleicht haben wir es doch gar nicht auf Arjen Lubach abgesehen, sondern auf etwas oder jemand anderen.
Nach und nach wurde klar, dass Lubach die Öffentlichkeit als Deepfake ansprach. Der Kopf und die Stimme von jemandem waren dank künstlicher Intelligenz durch seine eigenen ersetzt worden. Dies entsprach natürlich dem Inhalt der Ausstellung. Einst war Technologie dazu gedacht, die Welt besser zu verstehen, aber sie fängt langsam an, unseren Sinn für Sinn zu untergraben. Früher waren Roboter gefürchtet, weil sie alle Arbeit überflüssig machten, doch heute manipulieren sie auch unsere Denkweise.
Lass mich hart aussehen ist eine Ausstellung zu Big Data, Algorithmen, Deepfakes, künstlicher Intelligenz und Fake News. Ein netter Bissen, keine zufällige Begriffskombination. Auch wenn die Ausstellung keine Stellung gegen die Technologie beziehen will, so die Kuratoren, möchte sie zeigen, wie „die Unterstützung und Hinterfragung künstlicher Intelligenz uns dabei helfen wird, neue Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert zu entwickeln“.
Fußball Fans
Auf jeden Fall ist der Industriestandort toll. AVL Mundo von Joep van Lieshout befindet sich in einem ehemaligen Komplex mit Hafenlagern am Keileweg in Rotterdam. Mit 6.000 Quadratmetern ist das Gelände einer der größten Standorte für zeitgenössische Kunst in den Niederlanden. Es gibt einen weitläufigen Skulpturengarten mit hauptsächlich Installationen und Skulpturen von Atelier Van Lieshout. Fake Me Hard ist in mehreren großen Industriehallen angesiedelt, umfasst aber auch kleinere Räume und Ecken des Komplexes. Die labyrinthische Reise führt über elektronische Kunst hinaus, die die Sinne herausfordert. In einem der Räume präsentiert das deutsche Künstlerduo Wermke/Leinkauf zwei einander gegenüberstehende Bildschirme. Bilder von fanatischen Fußballfans und politischen Protesten werden von nahezu identischen Gesten und Bewegungen begleitet. Der schwere, rührende Lärm im Raum ist buchstäblich ohrenbetäubend.
Lass mich hart aussehen ist eine Initiative der Kunstinitiative Planetart und der Niet Normaal Foundation, verantwortlich für die Robot Love-Ausstellung in Eindhoven im Jahr 2018. Einige Ähnlichkeiten mit dieser Ausstellung sind erkennbar. So wird das Kätzchen von Pinar Yoldas hier noch einmal vorgestellt. Das Video spielt in einer fernen Zukunft, wo die Welt von einer künstlichen Intelligenz regiert wird, die die Form eines niedlichen jungen Kätzchens angenommen hat.
Pizzagate
Den Ton der Ausstellung gibt eine Installation von Rob Voerman vor, eine Höhle, die von einem beleuchteten Turm gekrönt wird, der dem Times Square ähnelt und mit Werbetafeln ausgestattet ist. In der Weltraumcollage geht es um Bill Gates, Pizzagate, Mike Pompeo, Fake News und Verschwörungstheorien. In einer Ecke stehen die Ruinen des Gebäudes der Vereinten Nationen in New York. Die Höhle bezieht sich auf Platons Allegorie, in der die Menschen in ihrer Realität gefangen sind. Durch die Erfindung ihrer eigenen Wahrheit behaupten immer mehr Gefangene, sie könnten der Höhle entkommen. Verschwörungen ebnen den Weg zur Erleuchtung. Hier ist nichts so, wie es scheint. Ein Video von Provides Ng, Eli Joteva und Ya Nzi zeigt eine Welt, in der das Weiße Haus von einem Mann bewohnt wird, der irgendwo zwischen Donald Trump und Xi Jinping liegt. Die Botschaft ist, dass wir eine Parallelrealität aufbauen, in der es keinen Platz mehr für die menschliche Dimension gibt. Viviane Komati präsentiert dem Besucher ein Distributionszentrum so groß wie eine Stadt. Die Pakete werden mithilfe von Drohnen und Robotern in einem perfekt orchestrierten Ballett bewegt, an dem kein Mensch beteiligt ist.
Digitale Hölle
Du kannst gehen Lass mich hart aussehen Lassen Sie auch Ihr eigenes Gesicht von einem Roboter filtern, der dann eine Reihe vermeintlicher Eigenschaften generiert. Die Idee mag beängstigend sein, aber die Ergebnisse scheinen keinen Sinn zu ergeben. Glücklicherweise sind die Algorithmen alles andere als perfekt.
Deborah Mora nutzte für ein Video-Triptychon allerlei Naturfotos. Fotos haben keine Standortinformationen und haben daher den Standardstandort 0,0. So entstand Null Island, ein digitales Paradies. In einem Video von Squarepusher & Daito Manabe erscheint ein zukünftiges Tokio, in dem Werbetafeln und Bildschirme aus aggressiv pulsierenden 3D-Strukturen bestehen. Das ist kein Paradies, sondern eine digitale Hölle. Um dich verrückt zu machen.
Verstümmelter Charakter
Es ist überraschend, wie die Arbeiten des Atelier Van Lieshout an verschiedenen Stellen in der Ausstellung erscheinen. Viele dieser Werke befinden sich lediglich im Lager. Skulpturen von Maschinen und Menschen sind in Kisten verpackt, halb sichtbar hinter durchsichtigem Plastik. Zu diesem Anlass wurden einige Bilder ausgepackt. Ein Kruzifix, ein Tisch mit Waffen und Folterinstrumenten. Van Lieshout baute auch ein dystopisches Diorama, das sich über alle möglichen Räume erstreckt. Die Szenen mit Soldaten, Kriegsopfern und Schaufensterpuppen mit Gasmasken sind vom Ersten und Zweiten Weltkrieg inspiriert. Unten ist eine verstümmelte Figur zu sehen, die mit einer Art Hocker künstlich aufrecht gehalten wird. Aber die niederländische Flagge in seinem Arm flattert stolz im Wind.
Lass mich hart aussehen
Wann bis 15.08
Oder AVL Mundo, Keileweg 18, Rotterdam
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