In Deutschland haben in den letzten Wochen Hunderttausende Bürger gegen die einwanderungsfeindliche Partei Alternative für Deutschland (AfD) demonstriert. In den Niederlanden, wo die PVV zur größten Partei geworden ist, bleiben wir massenhaft zu Hause. Wofür?
Der Grund für die deutschen Proteste ist folgender: OffenbarungenAnfang Januar über die Suchplattform Patch über ein geheimes Treffen in Potsdam. Ist da Einflussreiche Mitglieder der AfD haben mit anderen Rechtsextremisten darüber diskutiert, wie Flüchtlinge, Einwanderer und Deutsche mit Migrationshintergrund aus dem Land geholt werden können. Der österreichische Neonazi Martin Sellner legte hierzu einen „Masterplan“ vor.
„Das Treffen in einer Villa in Potsdam fand wenige Kilometer vom Veranstaltungsort der Wannsee-Konferenz entfernt statt. Hier besiegelten die Nazis 1942 das Schicksal der Juden. Das Treffen in Potsdam weckt daher Assoziationen an die NS-Zeit, erklärt die Journalistin Wiebke Pittlik, Chefredakteurin von Deutschlandweb, die Informationsseite des Deutschen Instituts. ‚Niemand sonst ist jetzt„Oder nie wieder jetzt“, war einer der Slogans der Proteste.
Warum demonstrieren so viele Deutsche gegen die AfD und nicht die Niederländer? Die PVV, ebenfalls eine rechtsradikale Partei, wurde am 22. November sogar zur größten Partei.
„Erstens gibt es in Deutschland generell eine größere Protestbereitschaft. Es ist auch ein viel größeres Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern und die politische Landschaft ist stärker polarisiert.
„Außerdem lastet die nationalsozialistische und kriegerische Vergangenheit in Deutschland schwer. Dies wird auch häufig im öffentlichen Diskurs thematisiert. In der Bevölkerung – nicht nur bei der radikalen Linken – herrscht eine allgemeine und wachsende Verunsicherung über den Aufstieg der AfD. Die AfD ist nicht mehr dieselbe Partei wie vor zehn Jahren. Die Partei hat sich extrem radikalisiert. Im Herbst finden in drei Bundesstaaten Wahlen statt und die Partei droht laut Umfragen dort die größte zu werden. Die Sorge um die AfD hat mit den Enthüllungen nun ein Ventil gefunden Patch über Potsdam. Dass die Proteste schon so lange andauern, liegt daran, dass „nichtdas heißt größer-Gefühl‘. Die Deutschen wollen nicht, dass sich die Geschichte wiederholt. Sie wollen nicht, dass die Faschisten wieder an die Macht kommen.
„Ein dritter Grund ist, dass in der Woche nach den Enthüllungen von Patch Mehrere deutsche Politiker sowie Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang riefen die Bürger zum Handeln auf, denn die Demokratie sei in Gefahr. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nahm an einer Demonstration teil. Nicht nur linke Organisationen demonstrieren: Der Protest ist sehr breit. Die verschiedenen Parteien und Gewerkschaften mobilisieren ihre Anhänger. Darüber hinaus demonstrieren sie nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen die extreme Rechte. Und die Demonstrationen sind erfolgreich. Die AfD hat seit den Protesten in Meinungsumfragen 3 % verloren. Zuvor war die Party in vollem Gange.
Das deutsche Verfassungsgericht, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, schützt die deutsche Verfassung. Dieses Gericht kann auch politische Parteien verbieten. Warum wurde die AfD noch nicht verboten?
„Das Verbot einer Partei ist eine sehr schwerwiegende Maßnahme. Zuletzt hatte das Gericht in den 1950er-Jahren eine politische Partei verboten. Kürzlich hatte es versucht, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten, scheiterte aber zweimal, das letzte Mal daran, dass die Partei zu klein war, um wirklich relevant zu sein. Ein Verbot der AfD ist wahrscheinlicher, da die AfD eine starke Partei im Bundestag und insbesondere in den Landtagen im Osten des Landes ist. Die AfD schneidet in den Umfragen bis Januar sehr gut ab.
„Außerdem hat der Verfassungsschutz die AfD insgesamt noch nicht als rechtsextrem eingestuft. Teile der AfD wurden offiziell als rechtsextrem erklärt, einige Landesverbände sowie der Jugendflügel. Eine Partei kann nur dann verboten werden, wenn sie eine Gefahr für die demokratische Rechtsordnung darstellt.
Und was denken die deutschen Wähler? Sind sie für ein Verbot?
‚In Deutschland entbrennt eine Debatte über ein AfD-Verbot. Montagabend, 5. Februar, habe ich im deutschen Fernsehen eine Diskussion zu diesem Thema gesehen. Am Tisch saß auch ein AfD-Abgeordneter, der natürlich sagte, dass das Verbot seiner Partei eine schlechte Sache sei. Doch ein Verfassungsexperte, der ebenfalls dem Gremium angehörte, sagte, die Forderung nach einem solchen Verbot müsse bereits formuliert werden. Der an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag muss begründet sein.
„Viele Deutsche halten ein Verbot der AfD für eine schlechte Sache“
„Dennoch denken auch viele Deutsche, dass ein AfD-Verbot eine schlechte Sache sei. Die Partei müsse mit Argumenten bekämpft werden, sie halten ein Parteiverbot für ein undemokratisches Instrument. Gegner weisen auch darauf hin, dass die AfD ein Verbot zum Spielen nutzen könne.“ Sie werfen der Regierung vor, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Eine Meinungsumfrage zeigt, dass die deutschen Wähler in dieser Frage tief gespalten sind: Fast 40 Prozent befürworten ein Verbot der AfD, aber mehr als 50 Prozent sind dagegen.
Die AfD behauptet nun, Potsdam sei nur für die Abschiebung krimineller Asylbewerber gedacht und nicht für die Abschiebung von Millionen Migranten geplant. Wie genau funktioniert es?
„Die niederländischen Medien erzählten die Geschichte von Patch teilweise auch eher ungenaue Wettervorhersage. Das Wort „Abschiebung“ Patch Nicht benutzt. Die Frage war: Wie entwickeln Sie den Begriff „Remigration“? Anschließend wurden Szenarien zum weiteren Vorgehen besprochen. Ein AfD-Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt sagte, die Situation müsse für Migranten so unangenehm wie möglich gestaltet werden, damit sie automatisch ausreisen würden. Martin Sellner sprach von einem Musterstaat in Afrika, wohin Migranten geschickt werden könnten.
„Dass einige Medien die Informationen falsch berichteten, könnte sich zum Vorteil der AfD auswirken. Denn dann können sie sagen: Sehen Sie, wir legen uns Worte in den Mund. Die deutschen Medien sprechen differenzierter über Potsdam. Sie verwenden wie die AfD das Wort „Rückwanderung“, erklären aber, dass es sich dabei um einen Euphemismus für „Ausweisung“ handele.
Auch die Nazis verwendeten in großem Umfang Euphemismen. „Die endgültige Lösung der Judenfrage“ als Euphemismus für die Vernichtung des jüdischen Volkes, „Sonderbehandlung“ als Euphemismus für die Vergasung usw.
„Die Deutschen ziehen mittlerweile viele Vergleiche mit der Nazizeit und dem Holocaust. Das AfD-Treffen fand in Potsdam statt. Wir sagen jetzt: Auch die Nazis sind demokratisch an die Macht gekommen. Sie weisen darauf hin, dass die Nazis Deutschland innerhalb weniger Wochen von einer Demokratie in eine Diktatur verwandelt haben. Dies führte zu dem Berüchtigten Allgemeine Vorschriftendas Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933. Das Gesetz verdrängte das Parlament und stellte sicher, dass Adolf Hitler per Dekret regieren konnte.
„Mit dem Faschismus setzt man eine Grenze“
Wie belastbar ist die deutsche Demokratie?
„Derzeit ist die Vorstellung von wähDemokratie (resiliente Demokratie) wird oft zitiert. Demokratische Institutionen müssen vor antidemokratischen Kräften geschützt werden. Dabei spielen auch die Bürger eine Rolle. In den Niederlanden ist die Debatte über eine resiliente Demokratie hauptsächlich eine akademische und intellektuelle Debatte. In Deutschland ist das anders. Er lebt dort unter den Menschen. Sie haben auch alle möglichen Konzepte im Zusammenhang mit ihnen, wie zum Beispiel Zivilcourage (Zivilcourage) und Hör auf das zu sagen (bekennen).
„Es ist auch wichtig, dass deutsche Journalisten – viel mehr als niederländische Journalisten – erkennen, dass sie eine Rolle beim Schutz der Demokratie spielen. Sie bilden die vierte Macht. Dies ist ein Bezugspunkt im Umgang mit der AfD. Es ist wichtig, möglichst vielen Stimmen in Ihren Geschichten eine Stimme zu geben. Aber mit dem Faschismus ziehen wir eine Grenze. In der TV-Sendung zum AfD-Verbot hieß es: Die Grenze liegt im Grundgesetz. Das ist ein großer Unterschied zu den Niederlanden. Es gibt gute Gründe, an der Achtung der Verfassung durch Geert Wilders zu zweifeln, doch die Verhandlungen über die Regierungsbildung dauern noch an und die Grundrechte stehen im Mittelpunkt der Debatten. In Deutschland ist es viel klarer. Alle Parteien – darunter die konservativ-liberale FDP und die konservativ-christliche CDU/CSU – bilden einen Cordon Santé um die AfD. Aber es gibt Befürchtungen, dass die CDU/CSU mit der AfD kollaborieren wird, wenn die Partei zu groß wird.“
Der umstrittene Politiker Hans-Georg Maaßen, Der ehemalige Chef des Bundessicherheitsdienstes und Gründer der WerteUnion schließt die AfD nicht aus.
„Es ist tatsächlich eine bizarre Geschichte. Maaßen war Chef des Sicherheitsdienstes, dessen Aufgabe es ist, die deutsche Verfassung zu schützen. Er wurde entlassen und seitdem ermittelt sein früherer Arbeitgeber gegen Maaßen wegen angeblicher rechtsextremer Sympathien.
„Unter Angela Merkels Kanzlerschaft wurde die WerteUnion in Opposition zu ihrer eher linken Ausrichtung gegründet. Die WerteUnion wollte, dass die CDU/CSU zu ihren konservativen Werten der Vergangenheit zurückkehrt. Es handelte sich jedoch nie um einen offiziellen Verein und die CDU/CSU distanzierte sich von der WerteUnion. Nachdem Maaßen die CDU verlassen hat, auch um seinem Ausschluss zu entgehen, wandelt sich die WerteUnion von einer Interessengruppe zu einer echten politischen Partei, die die AfD als Koalitionspartner nicht ausschließt.
Was ist die Lehre aus Deutschland für die Niederlande?
„In den Niederlanden machen sich viele Menschen Sorgen über PVV. Aber wie gesagt, die Bereitschaft, auf die Straße zu gehen, ist hier deutlich geringer. Die Dringlichkeit ist in Deutschland spürbar. Auch mittlere Gruppen nehmen teil. Sie demonstrieren gemeinsam mit Antifa (linksradikale Aktivisten, Anm. d. Red.) und Klimademonstranten. Deutschland zeigt, wie das auch in den Niederlanden gelingen kann.
„Die Demonstrationen gegen die AfD machen auch demokratischen Bürgern Mut. In Teilen Ostdeutschlands ist die AfD sehr mächtig. Doch dank dieser Proteste fühlen sich AfD-Gegner in diesen Bereichen nicht mehr allein. Es gibt auch andere, die gegen die AfD sind. Und natürlich fühlen sich auch die Migranten ermutigt. Dies ist eine weitere Lektion für unser Land. Viele Migranten fühlen sich durch den Wahlsieg von Geert Wilders bedroht. Sie möchten sich in den Niederlanden willkommen und akzeptiert fühlen.
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