Nur wenige Menschen kennen Jacob Moleschott noch und in seiner Heimatstadt ’s-Hertogenbosch möchte man das ändern. Im 19. Jahrhundert war er ein führender Physiologe mit innovativen Ideen in der Ernährung, aber auch ein Freidenker und ein sozial engagierter Mensch. Ein Symposium und eine Gedenkstätte sind in Vorbereitung.
Durch Laura Toorians
„Initiatief Jacob Moleschott“ ist eine Organisation, die davon überzeugt ist, dass der Namensgeber Jacob Moleschott rehabilitiert werden sollte, beginnend in seiner Heimatstadt ’s-Hertogenbosch und vorzugsweise mit einem dauerhaften Denkmal, das ihm gewidmet ist. Am 22. September 2023 veranstaltet die Initiative ein Symposium und anlässlich dieses erscheint eine Zeitschrift mit dem Titel „Jacob Moleschott, nicht im Dienste Gottes, sondern des Menschen“. Wirklich vergessen ist Moleschott nicht, denn ihm ist eine Wikipedia-Seite in nicht weniger als siebzehn Sprachen gewidmet und 2018 erschien eine seriöse Biografie von Laura Meneghello. Jacob Moleschot. Eine transnationale Biographie. Wissenschaft, Politik und Popularisierung im Europa des 19. Jahrhunderts (New York, ISBN9783837639704). Zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Physiologe wurden mehrere Studien veröffentlicht.
Ernennung zum Senator des Kaiserreichs in Italien
Jacob Moleschott (’s-Hertogenbosch 1822 – Rom 1893) arbeitete in den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz und Italien. 1845 erlangte er in Utrecht seinen Doktortitel in Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe, danach begann er in Heidelberg Vorlesungen zu halten. Aufgrund von Veröffentlichungen, die der Stadtverwaltung nicht gefielen, musste er Heidelberg verlassen. Er wurde Professor für Physiologie (Stoffwechsellehre) in Zürich und einige Jahre später in Turin. Er wurde dort als einer der bedeutendsten Vorreiter der modernen Medizin gefeiert und Viktor-Emmanuel II., der erste König des vereinten Italiens, ernannte ihn 1876 zum Senator des Reiches. 1879 wurde Moleschott zum Professor an der Sapienza, der berühmten Universität von Italien, ernannt Rom.
Moleschott forderte bereits 1848, dass Professoren aufgrund ihrer Verdienste und ihrer Bedeutung für die Wissenschaft ernannt werden sollten. Er war ein Freidenker mit Ideen, die man als atheistischen Materialismus bezeichnen kann und legte großen Wert auf eine gute Ernährung für ein gesundes Leben und damit auch auf die Verringerung der Armut. Eine seiner berühmten Aussagen auf diesem Gebiet lautet: „Ohne Phosphor keine Gedanken“. Er verteidigte auch das Frauenwahlrecht und das Recht auf Scheidung, die insbesondere für Frauen von großer Bedeutung waren.
Wie Spinoza glaubte Moleschott nicht an eine Trennung zwischen Körper und Geist, wie es damals auch in der katholischen Kirche üblich war. Als atheistischer Physiologe glaubte er, dass der Körper (oder allgemeiner: das Leben) auf der Grundlage materieller Bestandteile einer guten Ernährung funktioniert. Dies veranlasste ihn – als Philosoph, so Initiatief Jacob Moleschott –, auf die materiellen Bedürfnisse der einfachen Menschen aufmerksam zu machen. Laut Moleschott kann es jedem gut gehen, unabhängig von Kultur, Geschlecht oder sozialer Schicht, solange gute Ernährung und Bildung vorhanden sind. In der Klassengesellschaft des 19. Jahrhunderts war es eine revolutionäre Idee.
Er plädierte für eine politische Union mit Deutschland
In Italien hatte er Garibaldi und Cavour, den ersten Premierminister, im Kampf für die Vereinigung Italiens unterstützt. Auf der anderen Seite kämpften unter anderem niederländische Zuaven, was Moleschott im katholischen Nordbrabant offensichtlich unbeliebt machte. Dies muss dazu beigetragen haben, dass er in seiner Heimatstadt lange vergessen oder geschmäht wurde. Ziel ist es, das jetzt zu ändern. Auch die politische Einheit war ihm ein Anliegen und er hatte sich auch schon lange für die politische Union der Niederlande mit Deutschland eingesetzt. Er kehrte 1870, im Jahr des Deutsch-Französischen Krieges, dorthin zurück.
Das Symposium am 22. September findet von 20 bis 22 Uhr im Huis73, Hinthamerstraat in ’s-Hertogenbosch statt. In dem Gebäude befindet sich auch die öffentliche Bibliothek. Das Symposium wird von Patrick Timmermans, dem Direktor von Erfgoed Brabant, geleitet. Der Abend wird mit einem speziell für Moleschott komponierten Musikstück des Stadtkomponisten Bart van Dongen eröffnet, aufgeführt vom Brabants Kamerkoor unter der Leitung der Dirigentin Dorien Schouten Orchester.
Bosschenaar Frans van Gaal wird eine Kolumne halten, in der Wiep van Bunge, Professor für Philosophiegeschichte, und der ehemalige Politiker, Historiker und Professor für erasmische Werte Ronald van Raak erklären werden, warum sie Moleschott so besonders finden. Dann gibt es Raum für ein Interview mit den Beteiligten und der Öffentlichkeit und schließlich bringt die Gemeinde ’s-Hertogenbosch die Idee auf den Weg, ein dauerhaftes Denkmal für Moleschott zu errichten. Die Initiative in diese Richtung wurde bereits im vergangenen Jahr vom Stadtrat ergriffen und muss nun umgesetzt werden.
Weitere Informationen zur Konferenz
fransvangaal.nl/blijvend-eerbetoon-bossche-italiaan/
Erbe Hertogenbosch.nl/verhalen/jacobus-moleschott
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