„Hamburg Banksy“-Schilder sind überall

Angefangen hat alles damit, dass sie Kaffee- und Teetassen mit sozialkritischen Botschaften bemalte und diese an Freunde verschenkte. Frau Jule wechselt zu Gebäcktellern, als sie feststellt, dass sich diese viel einfacher beschriften lassen. „Als sich bei mir zu Hause die Paneele zu stapeln begannen und ich nicht wusste, was ich damit machen sollte, beschloss ich, sie bei meinen Spaziergängen in Hamburg an die Wände zu hängen“, schreibt der Streetart-Künstler per E-Mail. Da sie anonym bleiben möchte, kann das Interview nicht persönlich stattfinden.

Vor allem in den Hamburger Stadtteilen Eimsbüttel, Ottensen und Sternschanze sind überall Kuchenteller mit Sprüchen zu finden. Darüber hinaus tauchen hier ständig neue Exemplare auf. Frau Jule geht mehrmals pro Woche raus, um eine neue Ladung Schilder an die Wände zu hängen. Sie macht das nachts. Manche Hamburger nennen ihn aufgrund dieser mysteriösen Identität stolz ihren ganz persönlichen Banksy.

Frau Jule möchte mit den Kuchentellern Themen ansprechen, die ihr am Herzen liegen: „Ich finde Antifaschismus, Feminismus, Liebe, Mut und Solidarität sehr wichtige Themen.“ Nach Angaben des Künstlers sind alle seine Arbeiten politisch aufgeladen: „Sobald ich die Schilder auf der Straße aufhänge, verwandeln sie sich in ein Politik (politisches Problem). Sie beeinflussen das Stadtbild und die dort lebenden Menschen. Meine Kunst ist ein Angriff auf Ordnung, Struktur und Sauberkeit. Kuchenteller sind ziemlich frech, da sie eigentlich nicht an Hauswände gehören. Allerdings hat sie bisher noch nie etwas von den Eigentümern oder der Gemeinde gehört.

„Wenn eine Platte kaputt ist, setze ich einfach eine neue ein“

Eines der politischen Themen, die Frau Jule mit ihrer Kunst thematisiert, ist die menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen. In der Hansestadt werden mehrere Delfter blaue Kuchenteller mit der Aufschrift „Sichere Häfen für alle!‘ (Sichere Häfen für alle!). Damit möchte der Straßenkünstler auf den Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer hinweisen: „Es ist wirklich eine Schande, was an den Grenzen des reichen Europa passiert. Menschen sterben, weil ihnen Zuflucht verweigert wird und Helfer kriminalisiert werden.

Weil der Künstler es getan hatSicheres Häfen für alle!“ hat aber auch eine andere Bedeutung: „Der Slogan gilt auch für Menschen mit und ohne Diebstahlsgeschichte, die keinen Halt für sich und ihre Seele haben.“ So viele Menschen, die in toxischen Beziehungen und Familiensituationen leben, haben keinen Zufluchtsort oder Kontaktpunkt. DER Frauenhauser (Pflegeheime) sind überfüllt, die Jugendhilfe kann Kindern und Jugendlichen keinen ausreichenden Schutz mehr bieten und Obdachlosenunterkünfte werden angegriffen. Es ist mein großer Wunsch, dass jeder, der es braucht, einen sicheren Ort findet.

Auch im Werk von Frau Jule spielt der Antifaschismus eine zentrale Rolle. Auf vielen Kuchentellern stehen klassische Parolen der deutschen Linken Szene einschließlich findenNazi-Boxen!‚ (Nazi-Boxen!), ‚Unruhen, keine Regime!‘ (Aufstände statt Regime!) und ‚Alarm! Alarm ! Anti faschistisch!‘ (Achtung! Achtung! Antifaschisten!). „Wir leben immer noch in einer sehr rassistischen Gesellschaft“, erklärt die Künstlerin. DER Rechtsrutsch (Ruck nach rechts) in Europa und dem Rest der Welt beschäftigt sie ebenso wie die Klimakrise. Deshalb hält es Frau Jule für wichtig, darüber nachzudenken, was Antifaschismus für Menschen bedeuten kann, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung diskriminiert werden. „Ich bin in dieser Hinsicht sehr privilegiert. Das löst bei mir oft ein schlechtes Gewissen aus, aber ich kann meine Privilegien auch nutzen, um etwas zu bewirken. So verkauft sie beispielsweise regelmäßig einige ihrer Kunstwerke bei Charity-Aktionen in Hamburg.

„Die Kraft der Straßenkunst besteht darin, dass sich Menschen verbunden fühlen können“

Auf den Kuchentellern finden sich außerdem provokante Sprüche wie „Werde vegan oder fahr zur Hölle!!!‚ (Lebe vegan oder geh zur Hölle), was Passanten dazu inspirieren soll, vegan zu leben. Frau Jule, die selbst vegan lebt, findet es unverständlich, dass Menschen tierische Produkte konsumieren können: „Tiere sind fühlende Lebewesen, genau wie Menschen.“ Für unsere Gesellschaft ist es wichtig, wie wir Menschen behandeln, die in Bezug auf Ernährung und Kleidung vermeintlich schwächer sind. Darüber hinaus sind die Landwirtschaft und der Konsum tierischer Produkte Hauptursachen der Klimakrise.

Warum wird die Debatte um Veganismus so emotional geführt? „Menschen haben immer Angst, dass man ihnen etwas wegnehmen will oder dass ihre Lebens- und Denkweise jahrelang nicht die richtige war. Allerdings ist Selbstkritik ein starkes Merkmal“, sagt die anonyme Streetart-Künstlerin. Sie wünscht sich das durch Ihre Kunst ermöglicht es jedem, diese Diskussion zuerst mit sich selbst zu führen und das Thema weniger emotional aufzuladen. Der Text wird unter dem Bild fortgesetzt

Die Sprüche auf den Gebäcktellern sollen nicht nur zum kritischen Denken anregen, sondern auch Menschen verbinden, sagt Frau Jule. „Vielleicht liegt es auch an der Kraft der Zeichen: Menschen das Gefühl zu geben, verbunden zu sein, weil jemand einen Zauber an der Wand hinterlassen hat, der auch von ihnen ausgehen könnte. Das ist die Kraft der Straße. Sie hofft auch, dass Passanten Slogans hören wie „Liebe ist ein Tuwort!‘ (Liebe ist ein Verb!) und ‚Schaffst-Krawatte!‘ (Sie können!) Nehmen Sie Mut und Hoffnung.

Reaktionen von Passanten erhält der Künstler selten. „Von Zeit zu Zeit begegne ich Menschen, die vor einem Schild stehen bleiben und darüber reden“, sagt sie. Auf Instagram, wo sie Fotos neuer Werke mit ihren Followern teilt, ist die Resonanz überwiegend positiv. Dennoch erhält Frau Jule regelmäßig Drohungen von Personen, die mit ihren linken politischen Ansichten nicht einverstanden sind. Vor allem Kuchenteller mit antifaschistischen Sprüchen werden häufig zerstört. Den Streetart-Künstler lässt sich davon nicht entmutigen: „Die Drohungen treffen mich zwar, aber sie machen mir nur bedingt Angst.“ Andere Menschen müssen solche Dinge jeden Tag auf der Straße erleben. Bedrohungen törnen mich wirklich an: Wenn ein Panel kaputt ist, installiere ich ein neues.

Neugierig, mehr über die Street Art von Frau Jule zu erfahren? Schauen Sie es sich also an Instagram-Konto

Hunderte Kuchenteller von Frau Jule liegen mittlerweile in Hamburg. Der Künstler sagt, er habe den Blick für das große Ganze völlig verloren: „Ab und zu wundere ich mich dort, wo meine Schilder schon hängen. Manche bleiben jedoch nur für kurze Zeit da, da sie gestohlen oder zerstört werden. Diese Vergänglichkeit gehört einfach zur Street Art dazu.

Seit einigen Jahren ist Frau Jule auch in anderen deutschen Städten aktiv. Unter anderem in Berlin, Flensburg und Münster schmückt sie gelegentlich Haus- und Ladenwände mit bemaltem Geschirr. Da sie bevorzugt mit deutschen Slogans arbeitet, sei es laut Frau Jule nicht einfach, mit ihrer Street Art die Grenze zu überschreiten: „Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, in den Niederlanden ein paar Schilder anzubringen.“

Was motiviert die Streetart-Künstlerin, die Wände in Zukunft noch mehr mit ihren Kuchentellern zu bereichern? „Mir gefällt, dass die albernen Dinge, die in meinem Kopf vorgehen, für andere von Wert sind.“

Adelbert Eichel

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