Viele offene Fragen – BGH will Weichen für den Dieselskandal stellen

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KARLSRUHE (dpa-AFX) – Autokäufer, die Autohersteller wegen angeblich illegaler Zerstörungsvorrichtungen in ihren Autos verklagen, müssen nun mit Schadensersatz rechnen – die Modalitäten hierfür sind allerdings noch zu klären. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe diskutierte am Montag stundenlang darüber, ob den Klägern Anspruch auf eine vollständige Aufhebung des Abkommens oder zumindest auf eine Art „kleine Entschädigung“ zustehe. Der „Dieselsenat“ schien diese Position zu bevorzugen.

Käufer würden dann ihre Fahrzeuge behalten oder könnten sie nicht gegen eine vollständige Rückerstattung des Kaufpreises zurückgeben. Stattdessen würden sie für den sogenannten Minderwert entschädigt, also die Differenz zwischen einem fahrbereiten Auto ohne möglicherweise verbotene Abschalteinrichtung und dem Auto mit unfreiwillig erworbener Abschalteinrichtung.

Der Senat muss ein März-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf deutsches Recht übertragen: Im März hatte das luxemburgische Gericht die Schadensschwellen deutlich abgesenkt und entschieden, dass auch Fahrlässigkeit von Autoherstellern für einen Schadensersatzanspruch ausreichen könne . Nach der bisherigen BGH-Linie bestand ein solcher Anspruch nur, wenn der Hersteller Behörden und Kunden bewusst über umweltschädliche Emissionen getäuscht hatte – so wie es VW mit dem Skandalmotor EA189 getan hatte.

Es wurden drei Testfälle mit Fahrzeugen von Mercedes, Audi und VW abgedeckt. Die drei Urteile werden am 26. Juni verkündet. Abschalteinrichtungen wurden in alle Autos eingebaut, die die Abgaswerte veränderten. Bei VW gibt es beispielsweise ein sogenanntes Thermofenster, das je nach Außentemperatur die Verbrennung im EA288-Motor reduziert oder sogar ganz deaktiviert. Bei Mercedes handelt es sich um ein Auto, bei dem neben einem Thermofenster auch eine Kühlmitteltemperaturregelung verbaut ist. Hier führt die verzögerte Erwärmung des Motoröls zu einer Reduzierung der Schadstoffemissionen.

Das dritte Auto ist ein Audi mit starkem Motor (EA896Gen2BiT), für den es noch keine BGH-Entscheidung gibt. Hier hatte das Bundesanstalt für Automobilwesen (KBA) eine Abschalteinrichtung bemängelt und ein Software-Update angeordnet, noch bevor der Kläger das Auto kaufte. Dies teilte das KBA der Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung mit. Der Senat argumentierte, dass der Käufer in diesem konkreten Fall hätte wissen müssen, dass sein Auto bereits von einem Rückruf betroffen war und der Schadensersatzanspruch beeinträchtigt oder sogar hinfällig werden könnte.

In Millionen von Dieselfahrzeugen werden Thermofenster mit jeweils unterschiedlichem Temperaturbereich verbaut. Eigentlich illegale Thermikfenster müssen in vielen Fällen wohl noch individuell untersucht und abgeklärt werden. Im Fadenkreuz des BGH stehen nun diverse Autohersteller, bei denen die Abgasreinigung aufgrund verschiedener Besonderheiten nicht so gut funktioniert. Auch hier fordern viele Autokäufer seit einiger Zeit eine Entschädigung. Tausende Verfahren wurden bis zum Urteil des EuGH ausgesetzt.

Anwälte der Autohersteller argumentierten am Montag, es habe – wie im Fall VW – eine uneingeschränkte Typgenehmigung durch das KBA gegeben und die Hersteller hätten sich darauf verlassen. Der Senat bezweifelte jedoch, dass die Schadensersatzansprüche dadurch zunichte gemacht würden. Darüber hinaus argumentierten die Anwälte der Autohersteller, dass die Käufer nicht unbedingt einen „echten“ Schaden erlitten hätten: Schließlich sei das Auto gelaufen.

Viele Fragen bleiben nun offen: Welche Formen der Abgastechnik sind völlig unzulässig? Hat der Käufer durch die Verwendung einen Schaden erlitten? Und wenn ja, welche Entschädigung wäre angemessen?

Im VW-Abgasskandal hatten die Opfer bereits das Recht, den Kauf zu widerrufen. Allerdings musste der Autopreis die Nutzung des Autos berücksichtigen – wer viel gefahren ist, bekommt wenig bis gar nichts. Andererseits ist das Auto weg und ein neues kann teuer werden. Jagen war also nicht für jeden attraktiv. Die meisten Klagen endeten mit einem Vergleich.

Die Karlsruher Einschätzungen werden dringend erwartet, da aufgrund der unklaren Rechtslage eine Vielzahl von Dieselverfahren deutschlandweit seit Monaten ins Stocken geraten ist. Vermutlich um möglichst vielen Konstellationen gerecht zu werden, hatte die Vorsitzende Richterin Eva Menges mit ihrem Senat die drei sehr unterschiedlichen Fälle ausgewählt./avg/sem/kre/DP/ngu

Poldie Hall

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