Staatsstreich und Inflation: 1923 war auch ein deutsches Krisenjahr

Um 1923 sind in Deutschland in letzter Zeit mehr als zwölf Bücher erschienen; von einem historischen Jahresrückblick des Historikers Volker Ulrich bis zu einem Buch über kommunistische Putschversuche in Sachsen des Historikers Karl Heinrich Pohl. Dass seit der Erfolgsgeschichte „1913“ des deutschen Schriftstellers und Kunsthistorikers Florian Illies sogenannte Jahrbücher im Trend liegen, belegen die vielen Veröffentlichungen einmal mehr.

Doch nicht nur das 100-jährige Jubiläum weckt 1923 großes Interesse, argumentieren Historiker. Es gibt auch einige Gemeinsamkeiten zwischen 1923 und dem Deutschland von heute: Inflation, Populismus, Energiekrise und ein vereitelter Staatsstreich von Rechtsradikalen – damals Nationalsozialisten, in diesem Jahr Reichsbürger. „Wir leben wieder in Krisenzeiten“, sagt der Historiker Peter Longerich in einem Podcast des Regionalsenders SWR2. Eine historische Rückbesinnung auf 1923 sei daher interessant, auch wenn unsere Krisen nicht mehr so ​​gravierend seien wie damals. Damals war es viel Geschäft Außer Kontrolle (mehr unter Kontrolle), sagt Longerich, der auch sein Buch von 1923 so benannt hat.

„Die Krisen waren vor allem Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs“

Die Krisen des Jahres 1923 in der jungen deutschen Republik waren vor allem Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs. Deutschland wurde im Vertrag von Versailles (1919) hart bestraft, in dem die Alliierten Deutschland umfangreiche Reparationen auferlegten. Schnell wurde klar, dass sich Deutschland das nicht leisten konnte. Im Januar 1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, das damals wichtigste Industriegebiet Deutschlands, um Zahlungen in Form von Waren einzutreiben.

Lerne mehr über Krisenjahr 1923?
– Deutsch online Buchhandlung Eichendorff21 die zu setzen neu erschienene Bücher ca. 1923 mit kurzer Beschreibung auf einen Blick
– Über Hitlers kürzlich aufgetauchten Putschversuch zwei Pfund: ‚Der Hitlerputsch 1923 Geschichte eines Hochverrats‘ von Wolfgang Niess (Februar 2023) und ‚Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht‘ von Sven Felix Kellerhoff (März 2023)
– DER Podcast aus SWR2 ‚Krisenjahr 1923 – Wie nah ist uns die Geschichte?‘ ist hier zu hören (und auf Spotify)
– Auf der TwitterKonto @krisenjahr1923 Täglich werden historische Live-Tweets über die Ereignisse von 1923 geteilt
– Das Deutsche Historische Museum hat gemacht eine Chronik ab 1923 auf seiner Seite

Arbeiter und Beamte im Ruhrgebiet streikten aus Protest, wurden aber weiterhin von der Bundesregierung bezahlt. Dies führte zu folgender Krise: Hyperinflation mit großen wirtschaftlichen Folgen. So stieg beispielsweise im Januar 1923 der Preis für ein Kilo Brot auf 250 Mark. Der Silberwert ist im Laufe des Jahres so stark gesunken, dass ein Kilogramm Brot auf dem Höhepunkt der Hyperinflation im November 201.000.000.000 Mark kostete. Bilder von Kindern, die mit Haufen wertlosen Geldes spielen, sind sinnbildlich für diese Ära.

Putschversuch

Die andere große Krise, die Deutschland erschütterte, war Adolf Hitlers Putschversuch. Der junge Hitler war der Anführer der NSDAP, einer rechtsextremen nationalistischen Bewegung, die von Hass auf den Versailler Vertrag und die Republik durchdrungen war. Inspiriert durch den faschistischen Marsch des italienischen Führers Benito Mussolini auf Rom (1922) versuchten Hitler und seine Gefährten, die allgemeine Krise in Deutschland am 9. November 1923 auszunutzen, um in München die Macht zu ergreifen. Im Bürgerbräukeller begann der Putsch, daher der Name Bierkellerputsch. Der Plan war, von München nach Berlin zu marschieren, um die Regierung der Weimarer Republik zu stürzen. Doch der Putsch scheiterte. Fast unmittelbar nach der Ausrufung der „Nationalen Revolution“ wurden die Mitglieder der NSDAP von der Polizei auseinandergetrieben, vierzehn Putschisten und vier Polizisten getötet. Hitler kam ins Gefängnis, wo er seine politische Autobiografie „Mein Kampf“ schrieb.

„Mautzeit“

Der berühmte Schriftsteller Stefan Zweig beschrieb die deutsche Situation im Jahr 1923 als Mauthauszeit; ein Irrenhaus. „Kein Volk der Welt hat erlebt, was die Deutschen 1923 erlebt haben“, schrieb der ebenso berühmte deutsche Journalist Sebastian Haffner in einem Rückblick auf das Jahr 1939. ist nicht zusammengebrochen.

Die Maßnahmen Gustav Stresemanns – Reichskanzler von März bis August 1923, dann Außenminister – zur Beendigung der Hyperinflation zeigten Wirkung. Für die Reparationsfrage wurde eine Lösung gefunden. 1924 wurde unter der Führung des amerikanischen Bankiers und späteren Vizepräsidenten Charles W. Dawes ein deutsches Reparationsprogramm ins Leben gerufen. Er sei überzeugt, dass die Erholung der deutschen Wirtschaft wesentlich für die Erholung der europäischen Wirtschaft insgesamt sei. Auch die amerikanische Geschäftswelt stellte Kredite zur Verfügung, die der deutschen Wirtschaft zugute kamen. Frankreich versprach, die Besetzung des Ruhrgebiets bis spätestens 1925 zu beenden. Die „goldenen Jahre“ der Weimarer Republik begannen 1925, bis sie schließlich mit dem Börsenkrach 1929 und der Machtergreifung Hitlers 1933 endeten.

Lernen

Mit großem deutschen Interesse daran Krisenjahr und den Ähnlichkeiten der damaligen Ereignisse mit den Krisen von heute stellt sich die Frage: Gibt es Lehren aus 1923? „Davon können wir sicherlich etwas lernen“, sagt die Historikerin Ute Daniel von der Technischen Universität Braunschweig im SWR2-Podcast. „So eine plötzliche finanzielle Veränderung, die in dieser Zeit stattfand, passiert auch in unserer Zeit, wie die Kreditkrise im Jahr 2008.“ Laut Daniel war es nicht dasselbe wie die Hyperinflation von 1923, aber sie hält es für nützlich, angesichts solcher Großereignisse auf die persönlichen Erfahrungen von Menschen zu schauen, die einer Finanzkrise völlig ausgeliefert waren.

„Kein Volk der Welt hat erlebt, was die Deutschen 1923 erlebt haben“

Die Lehren liegen laut Longerich auf der Hand: „Wenn man in eine so große Krise wie den Herbst 1923 eintritt, muss man früh dagegen ankämpfen“, sagt er im Podcast. Für ihn hätte die Regierung im Frühjahr 1923 entscheidende Maßnahmen ergreifen müssen, etwa die Ruhrbesetzung schneller beenden und die rechten Netzwerke bekämpfen. Mit der Niederschlagung von Hitlers Putschversuch wurde der rechte Nationalismus unterdrückt, aber er verschwand nicht. Longerich nennt die „goldenen Jahre“ eine Illusion von Stabilität, bis Hitler endlich die Macht übernimmt. Er denkt, dass 1923 von großer Bedeutung ist, nur um dieses Kapitel der Geschichte zu studieren. Longerich: „Wenn wir über 1923 sprechen, müssen wir 1933 betrachten, und wenn wir 1933 analysieren wollen, müssen wir bis 1923 zurückgehen.“

Poldie Hall

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