Die meisten Deutschen waren auf den angekündigten „Superstreiktag“ vorbereitet, den größten Streik seit 1992, um eine steile Lohnerhöhung durchzusetzen. Viel Verkehr wurde für 24 Stunden unterbrochen.
Am Berliner Hauptbahnhof war laut einem Reporter der Nachrichtenagentur DPA ein verirrtes mexikanisches Paar allein unterwegs und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, seine Flitterwochen in Venedig fortzusetzen. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen“, sagte Veronica Lamelaz.
Dennoch schien der Rest des Landes gut auf den Sturm vorbereitet zu sein. Während der Schienenverkehr und ein Großteil der öffentlichen Verkehrsmittel des Landes stillgelegt waren, arbeiteten viele Mitarbeiter von zu Hause aus, ganz im Pandemie-Stil. Dadurch blieb es auf den Autobahnen auffallend ruhig, auch viele Schulen und Kindergärten blieben geschlossen.
„Wir erwarten kein Gegenangebot“
Gleichzeitig waren die Folgen des Streiks nicht schlimm. Da viele Flughäfen geschlossen blieben, konnten mehr als 380.000 Reisende ihre Flüge nicht antreten. Auch der Hamburger Hafen wurde teilweise gesperrt, was das Anlegen von Frachtschiffen verhinderte. In der vergangenen Woche gab es auch Streiks in Kliniken, Kitas, der Müllabfuhr und der Regierung.
Laut Präsident Frank Werneke von Ver.di, Deutschlands zweitgrößter Gewerkschaft mit 1,9 Millionen Mitgliedern, soll der Streik „deutlich zeigen, dass die Arbeiter unsere Lohnforderungen unterstützen“. Gemeinsam mit der Beamtengewerkschaft DBB hat ver.di am Montag eine dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen über Gehaltserhöhungen für ihre Mitglieder gestartet. Klar ist, dass die Parteien weit auseinander liegen: Die Gewerkschaften fordern eine Gehaltserhöhung von 10,5 %, die Arbeitgeber wollen maximal 5 % bieten.
Im Laufe der Woche wird die ebenfalls am Montag streikende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG auch mit Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn verhandeln. Auch hier ist die Nachfrage groß: „Wir sind entschlossen, unsere Forderung nach einer 12-prozentigen Lohnerhöhung für alle Beschäftigtengruppen durchzusetzen“, sagt Martin Burkert. „Wir erwarten ein Angebot, das unseren Anforderungen entspricht und vor allem kein Gegenangebot.“
Kritik an Gewerkschaften
Laut Frank Werneke von Ver.di ist die Wut vieler Mitglieder groß. In mehreren Städten fanden große Demonstrationen statt. „Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik“, sagte Werneke. Die Mitglieder seien es leid, von Politikern herumgeschubst zu werden, „wenn sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern“.
Ein Streik dieser Größenordnung ist in Deutschland nicht gesetzeswidrig. Dennoch wird kritisiert, dass die Gewerkschaften am selben Tag gestreikt haben. „Ich verstehe nicht, warum jetzt flächendeckend und mit einer solchen Intensität gestreikt werden muss“, sagt Karin Welge, Verhandlungsführerin des Verbands kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA). Deutsche-Bahn-Chef Martin Seiler nennt die Aktion „völlig unnötig und unverhältnismäßig“.
Kritik gibt es auch an den von den Gewerkschaften geforderten Lohnerhöhungen. So behauptet der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), dass höhere Beamtengehälter die Kommunen finanziell belasten würden. Das sagte Präsident Gerd Landsberg der Zeitung Bild dass es für die Bürger alles teurer macht: „Denken Sie an Abfallkosten, Zugang zu Schwimmbädern und Grundsteuer.“ Auch untere Behörden könnten „künftig weniger Geld investieren, etwa in die Sanierung von Schulgebäuden“.
weiter handeln
Doch Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die im Auftrag der Regierung die Verhandlungen führt, sagt, sie habe Verständnis für die Forderungen: „Viele, auch im öffentlichen Sektor, leiden derzeit unter hohen Energiepreisen und einer hohen Inflation.“ Vor dem Treffen in Potsdam sagte sie Reportern, sie habe „volles Vertrauen“, dass sie „diese Woche gemeinsam zu einer guten Lösung kommen“ würden.
Gelingt dies nicht, können die Gewerkschaften eine neue Verhandlungsrunde starten. Zur Lösungsfindung kann auch ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden. Wenn auch das nicht klappt, wollen die Gewerkschaften ihren Wahlkampf über die Osterfeiertage fortsetzen, wenn nicht sogar länger. „Wenn das nicht klappt, sind sogar reguläre Streiks möglich“, sagte der DBB-Vorsitzende Ulrich Silberbach.
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