BGH kritisiert Kreditklausel bei Mercedes-Dieselkäufen

KARLSRUHE (dpa-AFX) – Haben Diesel-Käufer bei Abschluss ihres Autokredits auf Forderungen verzichtet? Eine Klausel der Mercedes-Benz Bank suggeriert ja – aber der Bundesgerichtshof (BGH) berücksichtigt das wohl nicht: Bei der Behandlung eines Rechtsstreits sahen die höchsten Zivilrichter das sehr kritisch. Bundespräsidentin Eva Menges sagte am Montag in Karlsruhe, ihr Senat neige nach erster Beratung dazu, die Klausel für unwirksam zu halten, weil sie Verbraucher unzumutbar benachteilige. Das Urteil wird in sechs Wochen am 24. April verkündet.

Der Kläger hatte 2019 einen neuen Mercedes GLC für mehr als 55.000 Euro gekauft, finanziert von seiner eigenen Mercedes-Benz Bank. Der unterschriebene Vertrag sieht vor, dass der Darlehensnehmer unter anderem auch gegenwärtige und künftige Forderungen gegen Daimler als Sicherheit an die Bank abtritt – „unabhängig von der Rechtsgrundlage“. Laut dem kürzlich mit dem Fall befassten Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) taucht diese Klausel „regelmäßig“ in den Kreditbedingungen der Bank auf. Eine Mercedes-Benz-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab.

Später forderte der Mann Schadensersatz vom Mercedes-Benz Konzern, wie Daimler jetzt heißt. Er behauptet, sein Auto sei mit mehreren unerlaubten Abschalteinrichtungen ausgestattet gewesen und habe während der Fahrt mehr giftige Abgase ausgestoßen als erlaubt.

Die bisher wichtigste Frage für das Gericht war, ob der Mann Mercedes-Benz verklagen kann. Nach Auffassung der OLG-Richter hatte er diese Schulden tatsächlich an die Bank abgetreten.

BGH-Richter werden das jetzt wohl anders sehen. Heben sie das Stuttgarter Urteil auf, muss das OLG dem Grunde nach prüfen, ob die Voraussetzungen einer möglichen Haftung vorliegen.

Der Mann hatte unter anderem wegen des sogenannten Thermofensters seines Diesels geklagt. Die auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzte Technologie spielt bei der Reinigung von Abgasen eine Rolle. Damit Fahrzeuge weniger giftige Stickoxide ausstoßen, wird ein Teil der Abgase direkt im Motor verbrannt. Wenn es draußen kühler ist, kehrt sich dieser Mechanismus automatisch um. Hersteller sagen, es sei notwendig, den Motor zu schützen.

Bisher hatten Dieselkäufer mit einer Thermofensterklage ziemlich schlechte Karten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wiederholt entschieden, dass Daimler kein Betrug vorgeworfen werden kann, nur weil es die Technologie einsetzt. Zu anderen Teilen der Abgastechnik von Mercedes-Benz ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung bekannt. Ein Pilotansatz wird auch von Verbraucherverbänden durchgeführt.

Mit Spannung wird jedoch ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. März erwartet, das ebenfalls ein Thermofenster in einem Mercedes-Diesel betrifft. Nach den Schlussfolgerungen des Generalanwalts könnte es vorkommen, dass die luxemburgischen Gerichte anders als der BGH die Haftung des Herstellers auch bei einfacher Fahrlässigkeit eingreifen. Dadurch würden die Entschädigungsschwellen deutlich gesenkt. In Deutschland sind daher derzeit ohnehin zahlreiche Diesel-Deals blockiert.

Die BGH-Entscheidung zum Autokredit wird wohl nur Mercedes-Benz treffen. Die im Dieselskandal sehr aktive Berliner Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte hat nach eigenen Angaben tausende Finanzierungsverträge von Autobanken diesbezüglich untersucht. „Nach unserem Kenntnisstand hatte nur die Mercedes-Benz Bank den Mut, Schadensersatzansprüche gegen die jeweilige Muttergesellschaft mittels AGB abzuwehren.“/sem/DP/mis

Helfried Beck

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