Die Ukraine sei „faktisch“ bereits Nato-Mitglied, so der Verteidigungsminister

Er spricht über eine De-facto-Mitgliedschaft, nicht per Gesetz. Wenn die Ukraine tatsächlich Mitglied der NATO wäre, müssten die anderen Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 5 des Vertrags in den Krieg eingreifen. Danach gilt ein bewaffneter Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf alle Mitgliedstaaten. Infolgedessen würden sich die dreißig Mitgliedsländer mit Russland im Krieg befinden.

Aber natürlich ist die Ukraine kein Mitglied der NATO. Trotzdem ist es nicht so bemerkenswert, dass Reznikov diese Aussage macht, sagt Verteidigungsexperte Dick Zandee van Clingendael. „Im Verlauf des Krieges wurde die Ukraine immer unnachgiebiger, der NATO beizutreten.“

Nahrung für die russische Erzählung

„Das ist ein politisches Signal, das gut für die Ukrainer ist. Weil sie nach Westen gezogen sind.“ In Russland wird der Krieg in der Ukraine wegen der zahlreichen Waffenlieferungen des Westens nach Kiew oft als Kampf gegen die NATO dargestellt. „Wenn Sie als ukrainischer Verteidigungsminister solche Aussagen machen, dann denke ich, dass das in die russische Erzählung einfließt“, sagt Zandee. „Moskau kann jetzt sehr leicht sagen: Sehen Sie, wir sind im Krieg mit der Nato. Aus dieser Sicht halte ich das nicht für klug.“

Weil die Regierungen der Nato-Staaten eine weitere Eskalation befürchten und das gesamte Bündnis in den Krieg hineingezogen wird, zögern sie vorübergehend, noch schwerere Waffen zu schicken. So wird derzeit etwa die Lieferung von Panzern diskutiert, Deutschland ist aber noch nicht überzeugt. Reznikov betrachtet diesen Vorgang mittlerweile als fast schon Standardprozedere. „Diese Sorge vor einer weiteren Eskalation ist meiner Meinung nach eine Art Protokoll“, sagte der ukrainische Verteidigungsminister.

Im Jahr 2008 wurde der Ukraine von der NATO versprochen, dass sie irgendwann in der Zukunft ohne konkretes Datum beitreten dürfte. Diese Aussicht war einer der Gründe, warum der russische Präsident Wladimir Putin im Februar beschloss, in die Ukraine einzumarschieren. Er forderte einen „neutralen“ Status für seinen Nachbarn.

Ende September bat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj um eine beschleunigte Mitgliedschaft. Reznikov ist jedenfalls davon überzeugt, dass sein Land „in naher Zukunft“ legales Nato-Mitglied werden wird.

rote Linie

„Die Nato sagt immer: Die Tür steht offen, aber Mitglied zu werden ist etwas ganz anderes“, sagt Zandee. Denn die Aufnahme eines Kriegslandes in ein Militärbündnis hätte enorme Konsequenzen für die NATO.

„Das Land, das jetzt den größten Einfluss in Kiew hat, sind die Vereinigten Staaten. Bidens rote Linie ist, dass die NATO nicht wegen der Ukraine in den Krieg mit Russland ziehen sollte. Also muss zuerst ein Friedensabkommen erzielt werden.“ Das weiß auch die Ukraine, sagt Zandee. Er rechnet daher nicht damit, dass Zelensky den Antrag offiziell stellt.

Eleonore Roth

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