Deutschland befürchtet Radikalisierung von „Klimastickern“

Am letzten Tag haben Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation ein Loch in den Zaun des Berliner Flughafens gerissen. Letzten Donnerstag radelten sie zwei Stunden über das Gelände und hielten sich an die Gleise. Aktivisten wollten gegen durch Flugzeuge verursachte Klimaschäden protestieren, wie es Anfang dieses Monats auf Schiphol geschah. Aufgrund der Aktion in Berlin wurden fünf Flüge gestrichen und fünfzehn Flugzeuge mussten auf andere Flughäfen ausweichen.

Die Aktion war laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser „eine weitere Eskalation, die absolut inakzeptabel ist“. Die Stadt wird zunehmend mit Klimaschutzmaßnahmen konfrontiert. Eine große Autobahn in Berlin wird jetzt fast täglich von Klimaaktivisten blockiert, die an der Straße festhalten. Auch in anderen deutschen Städten steigt die Zahl der Aktionen. Vergangene Woche klebten sich Klimaaktivisten kurz vor Konzertbeginn auf die Bühne der Elbphilharmonie in Hamburg.

Sieben Aktivisten der Generation Letzte traten einen Monat vor der Bundestagswahl 2021 in einen Hungerstreik, um ein Treffen mit den drei Kanzlerkandidaten zu erzwingen. So ist aus dem ersten Treffen des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz ein Treffen mit Klimaaktivisten geworden. Da aber nichts hilft, sperren sie nach Angaben der Gruppe seit Anfang dieses Jahres die Autobahnen. Der Klimagipfel in Ägypten war Anlass für mehr Taten.

Aktivisten verursachen Staus

Doch die Diskussion um die „Klimakleber“, wie sie manchmal genannt werden, wird immer hitziger. Laut Meinungsforscher Civey sind 86 % der Befragten der Meinung, dass die Klimaschutzmaßnahmen von Letzte Generation zu weit gehen. Einige befürchten, dass die Aktivisten andere gefährden. Anfang dieses Monats starb ein 44-jähriger Radfahrer in Berlin, nachdem er bei einem Unfall unter einem Zementlaster eingeklemmt worden war. Das Werkzeug, das sie befreien konnte, kam zu spät: Er steckte in einem Stau fest, der von hochnäsigen Klimaaktivisten verursacht wurde.

In Deutschland sind Rechtsverstöße linker Aktivisten besonders heikel. In den 1970er Jahren musste sich das Land mit linksextremen Gruppen wie der Roten Armee Fraktion (RAF) und der Bewegung 2. Juni auseinandersetzen, die aus der Studentenbewegung von 1968 hervorging. Die Journalistin Bettina Röhl, die Tochter des RAF-Chefs RAF Ulrike Meinhof, behauptet Anfang dieses Monats in der einflussreichen Boulevardzeitung Bild dass die Klimagruppe droht, sich in eine Terrorbewegung zu verwandeln. „Die 68er-Bewegung begann auch mit Sabotageakten“, sagte sie. „Der Wendepunkt in Richtung Gewalt und Terror ist schnell erreicht.“

Geheimdienstchef Thomas Haldenwang sagte vergangene Woche, er sehe keine Anzeichen dafür, dass sich die Militanten gegen den demokratischen Rechtsstaat wenden. „Verbrechen zu begehen macht sie nicht zu Extremisten“, sagt er. Laut Haldenwang konzentriert sich die Gruppe gerade auf die Zusammenarbeit mit der Regierung. „Sie sagen: Liebe Regierung, ihr habt geschlafen, ihr müsst jetzt etwas tun.“

„RAF-Klima“

Dennoch schwingt der RAF-Vergleich in der deutschen Politik mit und nicht nur in der rechtsradikalen Partei AfD. Auch die größte Oppositionspartei CDU und die Schwesterpartei CSU sprechen scharf von Klimaaktivisten. Alexander Dobrindt, CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, warnt vor einem „RAF-Klima“. Er will diese Entwicklung durch „deutlich höhere Strafen für Klimastörer“ verhindern.

In Bayern, wo die CSU seit mehr als sechs Jahrzehnten regiert, sind die Strafen für Klimaaktivisten bereits härter als im Rest des Landes. Es ist der einzige Staat, in dem es möglich ist, Klimaaktivisten präventiv festzunehmen. Dreizehn Aktivisten der Letzte-Generation sind seit mehr als einem Monat inhaftiert; Einer von ihnen trat in der Zelle in einen Hungerstreik.

Dies scheint Aktivisten jedoch nicht zu entmutigen. Im bayerischen München hielten mehrere Aktivisten an einer Straßenbrücke fest. Als sie freigelassen und von der Polizei weggebracht wurden, kam eine andere Gruppe von Aktivisten und tat dasselbe.

Bundesjustizminister Marco Buschmann prüft die Möglichkeit, Klimaaktivisten durch höhere Bußgelder abzuschrecken. Dennoch warnt der bekannte RAF-Experte Wolfgang Kraushaar in einem Radio-Interview mit BR24 vor härteren Strafen. Als ein Jurastudent 1968 nach einem Protest gegen den Vietnamkrieg für ein Jahr im Gefängnis landete, kam es zu wütenden Aktionen. „Die Terroristen kamen aus der Gruppe, die das organisiert hat.“

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Adelbert Eichel

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