Deutsche Nationalhymne im Gespräch

81 Jahre hat es gedauert, bis das „Lied der Deutschen“ – besser bekannt als „Deutschland über Alles“ – zur deutschen Nationalhymne wurde. Es war vor genau einem Jahrhundert, am 11. August. Aber natürlich kommen die Deutschen nicht umhin, an seiner Bedeutung zu zweifeln. Nach dem Ersten Weltkrieg mussten sich die Deutschen erholen. Der Kaiser war weg. Die wirtschaftliche Not lastete auf den Menschen. Das Land stöhnte unter der strengen Regulierung von…

Vorher hat es 81 Jahre gedauert „Lied der Deutschen“ – besser bekannt als „Deutschland über alles“ – wurde zur deutschen Nationalhymne. Es war vor genau einem Jahrhundert, am 11. August. Aber natürlich kommen die Deutschen nicht umhin, an seiner Bedeutung zu zweifeln.

Nach dem Ersten Weltkrieg mussten sich die Deutschen erholen. Der Kaiser war weg. Die wirtschaftliche Not lastete auf den Menschen. Das Land stöhnte unter den strengen Auflagen des von den Siegern ausgearbeiteten Versailler Vertrages. Inmitten all dieser Ungewissheit verabschiedete die junge Weimarer Republik am 11. August 1919 eine neue Verfassung. Von einer Nationalhymne wurde mit keinem Wort gesprochen.

Gefühl der Einheit

Das Attentat auf Außenminister Walther Rathenau am 24. Juni 1922 (siehe Durchbruchartikel) erschütterte die Nation weiter. Reichspräsident Friedrich Ebert begann sich zu fragen, ob eine Hymne das Wir-Gefühl der deutschen Bürger wiederherstellen könnte. So fiel sein Blick darauf „Lied der Deutschen“ die Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) am 26. August 1841 auf der Insel Helgoland, damals noch britisches Eigentum, geschrieben hatte. Mit den Worten begann seine dritte Strophe „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Ebert hat es gefallen. Auf der Verfassungstag, dem dritten Jahrestag des Grundgesetzes, erklärte er: „Wie der Dichter von einst lieben wir heute Deutschland über alles. Um seinen Wunsch zu erfüllen, soll unter den schwarz-rot-goldenen Fahnen das Lied von Einheit, Gerechtigkeit und Freiheit Ausdruck unserer patriotischen Gefühle sein.

Ebert hatte vor dem Deal zunächst Angst „Nationalhymne“. Was würde die Außenwelt von einem Song mit dem Titel halten „Deutschland über alles“ und eine erste Strophe, in der der Dichter von einem Deutschland träumte ‚de la Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt‘ (also von den Niederlanden nach Litauen, von Südtirol nach Dänemark). Und als Sozialdemokrat und damit Internationalist warnte Ebert auch vor „nationalistischem Missbrauch“ des Liedes. Sechs Tage nach seiner Berufung verfügte er: ‚Die Reichswehr hat das ‚Deutschland-Lied‘ als Nationalhymne zu führen.‘ („Die Armee soll das ‚Deutschland-Lied‘ als Nationalhymne verwenden“).

Zersplitterung

Als Hoffmann von Fallersleben (siehe Porträt in Doorbraak) 1841 zur Feder griff, um sein Heimweh zu lindern, war Deutschland noch in 39 Staaten geteilt (allerdings unter dem Dach des Deutschen Bundes). Vermutlich wollte er die Worte verwenden „Deutschland über alles“ betonen, dass Deutschland diese Zersplitterung überwinden musste. Wie viele Intellektuelle träumte er von einem geeinten und freien Deutschland. Diesen Traum musste er teuer bezahlen.

1842 entließ die preußische Regierung den Professor für Germanistik. Ein Jahr später entzog sie ihm sogar die preußische Staatsbürgerschaft und wies ihn des Landes aus. Eine Zeit der Wanderschaft durch das übrige Deutschland begann. Als Germanist interessierte er sich besonders für die Sprache und Kultur der Niederlande. 1854 schrieb er das Gedicht sogar auf Niederländisch „Flandern, ich denke Tag und Nacht an dich“.

Langmark

Das Gedicht „Deutschland über alles“ für die Hoffmann von Fallersleben die Melodie aus Joseph Haydns Kaiserquartett wählte, wurde es auch nach der deutschen Wiedervereinigung 1871 nicht zur Nationalhymne. Erst mit Beginn des Ersten Weltkriegs erlangte sie einige Berühmtheit.

Im Kommuniqué der Obersten Heeresleitung vom 11. November 1914 heißt es über eine Militäraktion bei Langemark (eigentlich Bikschote): ‚Westlich Langemarck brachte junge Regimenter unter den Gesange „Deutschland, Deutschland über Alles“ für die erste Linie der feindlichen Stellungen vor.‘ Die jungen Soldaten, die mit „Deutschland über alles“ die feindlichen Stellungen auf den Lippen zu stürmen und damit den „Heldentod“ zu sterben, regte natürlich die Phantasie an.

‚kontaminiert‘

Das „Lied der Deutschen“ hat seinen Platz in deutschen Volkskreisen gefunden. Das erklärt auch Eberts anfängliche Befürchtung. Mehr als zehn Jahre später verbanden die Nationalsozialisten die erste Strophe des Liedes mit dem Horst-Wessel-Lied (Sturmabteilung) der SA zu einer Nationalhymne. Nach dem Untergang des Dritten Reiches war es so „Lied der Deutschen“ daher „verseucht“. Dennoch gelang es Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, 1952, die dritte Strophe als Nationalhymne zu verabschieden. Die DDR selbst hat darauf geschworen „Auferstand aus Ruinen“ von Johannes R. Becher (Text) und Hanns Eisler (Melodie).

Nach der Wiedervereinigung 1990 stellte sich erneut die Frage nach einer angemessenen Nationalhymne. Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl einigten sich darauf, ihn in die dritte Strophe des Gesetzes aufzunehmen „Lied der Deutschen“ Behalten. Die Motivation war: ‚Sie bringt que Werte verbindlich zum Ausdruck, denen wir uns als Deutsche, als Europäer und als Teil der Völkergemeinschaft verpflichtet fühlen.‘ („Sie drückt in verwandter Weise die Werte aus, denen wir uns als Deutsche, als Europäer und als Mitglieder der Völkergemeinschaft verpflichtet fühlen.“)

Debatte

Der 100. Jahrestag der Proklamation des „Lied der Deutschen“ zur Nationalhymne löste erwartungsgemäß erneut eine Debatte über ihre Bedeutung aus. In Die Welt zum Beispiel zwei Redakteure die Schwerter zusammen. Artur Weigandt findet, die Hymne gehöre als Relikt der Nationalstaatszeit in den Müll. Seiner Meinung nach wäre es nicht Teil unserer Lebenswirklichkeit. Matthias Heine hingegen argumentiert, dass die Nation eine Renaissance erlebe (und er verweist zum Beispiel auf Ukrainer, die tapfer für ihr Land kämpfen). Und solange es Länder gibt, schreibt er, „muss es auch Songs geben, mit denen diese Länder ganz pragmatisch repräsentiert werden“.

Darüber hinaus bildet eine Nationalhymne eine „Brücke zwischen der Vergangenheit und Gegenwart eines Landes“ und spiegelt dessen Geschichte wider. Für die „Lied der Deutschen“ Es ist zum Beispiel die Zeit zwischen dem Wiener Kongress (1815) und der Revolution von 1848, in der die deutschen Fürsten gegen die Einheit sind, weil sie die Beteiligung des Volkes an der Macht fürchten.

Dass in Deutschland über seine eigene Hymne diskutiert wird – das Wort „national“ ist dort ohnehin tabu – verrät eine „Geh weg mit uns“-Mentalität.. Linke Deutsche schreien regelmäßig ihren Hass auf Deutschland mit Parolen wie ‚Nie wieder Deutschland‘ („Nie wieder Deutschland“). Vielleicht sollten sie – und die Deutschen im Allgemeinen – sich anhören, was Udo Jürgens auf ein altes patriotisches Lied anspielt „Ich liebe die Niederlande“ so ergreifend im Jahr 1971 sang.

Adelbert Eichel

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