Bewertungen | Es lebe unsere Freiheit, es lebe Europa!

Heute feiern wir die Befreiung der Niederlande. Fast niemand merkt das, aber ein paar Tage später, am Montag, den 9. Mai, feiern wir erneut unsere Freiheit.

1985 beschlossen die europäischen Regierungschefs, den Europatag am 9. Mai zu begehen. Genau dieses Datum, denn am 9. Mai 1950 wurde der erste Schritt zu dem gemacht, was wir heute als Europäische Union kennen. In einer feierlichen Erklärung plädierte der französische Minister Robert Schuman an diesem Tag für eine gemeinsame Verwaltung der französischen und deutschen Kohle- und Stahlproduktion. Wenn Frankreich und Deutschland, die sich oft bekriegt hatten, gemeinsam die Ressourcen produzierten, die Sie dafür brauchen, würden sie nie wieder miteinander Krieg führen. Andere Länder könnten sich anschließen, und die Niederlande taten dies sofort.

Der Europatag wird in Brüssel etwas gefeiert, ist aber ansonsten nur ein gesetzlicher Feiertag in Luxemburg. Noch vor knapp einem Jahr fragten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs, ob es noch möglich sei, die öffentliche Meinung mit Europa als Garant des Friedens zu erreichen. OK, jeder versteht, dass die EU wirtschaftlichen Wohlstand bringt – aber Frieden?

In den Niederlanden halten es die meisten Abgeordneten für absurd, die Europaflagge neben der Nationalflagge im Plenarsaal zu zeigen. Die Niederlande sind ein Handelsland und die EU garantiert den Freihandel. Das bedeutet nicht, dass die Flagge so viel mehr bedeutet.

Vor zwei Jahren sagte der damalige Außenminister Stef Blok, er halte Europa für wichtig, weil es französischen Wein, Oliven, Käse und holländische Schnittblumen für normale Europäer erschwinglich mache.

„Die EU darf nicht vor großen Visionen davonlaufen“, sagte er. Handel, vielleicht noch ein paar andere Gemeinschaftsprojekte und das war’s.

Wie faul dieser Gedanke war, merke ich gerade erst. Nun steht eine Trendwende an. „Die Europäische Union muss entschlossener, wirtschaftlich stärker, grüner und sicherer werden“, schreibt Ministerin Wopke Hoekstra in der State of the Union, über die demnächst das Repräsentantenhaus debattieren wird. Die Niederlande müssten dabei sogar „eine führende Rolle“ spielen, sagt Hoekstra. Ganz anders als Stef Blok noch vor zwei Jahren.

Diesen Wandel sieht man auch in der öffentlichen Meinung. In verschiedenen Meinungsumfragen sprechen sich wachsende Mehrheiten für eine stärkere europäische Zusammenarbeit aus. Die Minderheit, die die EU verlassen will, ist zurückgegangen. Vor 18 Monaten wollten 39 % gehen, jetzt sind es 25.

Mit seinem Krieg in der Ukraine treibt Wladimir Putin dieses europäische Bewusstsein noch weiter voran. Nicht, dass wir jetzt alle den 9. Mai neben dem 5. Mai feiern würden, aber diese Europaflagge neben der Nationalflagge zu platzieren, ist gerade jetzt ein sehr starkes Signal. Denn Europa ist viel mehr als Käse und Schnittblumen. Europa ist Überleben.

Helfried Beck

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